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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Über das Bonusmamasein

Aktualisiert: 18. März 2022



Das Zeit-Magazin hat in einer Leserumfrage gefragt, ob ich eine Bonusmama bin und weitere Fragen über das Patchworkdasein gestellt. Darauf habe ich gerne geantwortet.

Wer Lust hat, kann auch noch seine Meinung dort einsenden.



Wir möchten gerne die Geschichte Ihrer Patchworkfamilie hören. Was hat Sie zum guten Patchwork-Elternteil gemacht? Wie ist das Leben als Partner der Mutter oder des Vaters?


Ich wurde damals relativ schnell in das Patchworkleben geworfen: bereits am ersten Besuchswochenende, nachdem wir ein Paar geworden waren, lernte ich die Kids (Annika, damals 10 und Tommi, damals 7) kennen. Das Kennenlernen verlief gut und ich war von nun an eigentlich immer mit dabei. Anfangs waren die Wochenenden wie eine Übernachtungsparty bei der Tante: es gab Popcorn und wir schliefen beim Fernsehen auf der Couch ein. Ohne, dass man es mitbekam, wurde aus den Besuchswochenenden „Normalität“. Es gab Diskussionen, in denen auch ich Position beziehen musste. Vor allen Dingen aber gab es Diskussionen mit Uschi, der leiblichen Mutter der Kinder. Ich lernte, dass mein einfacher Ansatz „so lasse ich nicht mit mir umgehen“ relativ begrenzte Lösungsmöglichkeiten aufwies. Liefen wir bei jeder unserer Verweigerung, bei der es nicht nach Uschis Nase ging, doch immer Gefahr, dass die Kinder die Leidtragenden unserer Entscheidung wurden. Vier Jahre später habe ich gelernt, damit umzugehen, dass eine fremde Frau mein Leben bestimmt und die das Ungeplante, das Kinder zwangsläufig mit sich bringen, durch ihr eigenes Handeln noch einmal mehr fördert. Alles in allem bin ich ruhiger geworden und lasse auch manches Drama, das bewusst konstruiert wird, entspannt an mir vorbeiziehen.

Gut 24 Tage im Monat genießen mein Partner und ich unsere Zweisamkeit und 6 Tage im Monat schlüpfen wir in die Rolle von Papa und Partnerin bzw. Bonusmama Jule. Mir helfen dabei definitiv eine Große Portion Gelassenheit mit zuweilen einer Priese Distanziertheit, die alles (aus der Ferne) gar nicht so dramatisch aussehen lässt, ein halber Liter Abenteuerlust und ein großer Löffel Offenheit für die Andersartigkeit anderer Menschen. Ob ich ein gutes Patchwork-Elternteil bin, weiss ich nicht. Aber ich versuche meistens mein Bestes zu geben.


Was sind Ihre Rechte, was sind Ihre Pflichten? Wo war es für Sie auch wichtig, sich gegenüber dem Kind durchzusetzen?


Über meine Rechte haben wir leider zu Beginn der Partnerschaft nicht gesprochen. So kam es wie es kommen musste, dass unsere unterschiedlichen Auffassungen irgendwann in einem Streit mündeten. Mein Partner wies mich darauf hin, dass ich keinen Erziehungsauftrag für seine Kinder hätte; ich sah es jedoch so, dass ich „sehr wohl etwas zu sagen haben wollte“, da ich ja auch „Leidtragende“ des Verhaltens der Kinder bin. Ich habe lange Zeit darüber geschmollt, dass ich „nichts zu sagen hatte“. Allerdings kam im Laufe der Zeit eine gewisse Reife und Erkenntnis, dass ich tatsächlich (kraft Gesetzes) nicht erziehungsberechtigt bin. Diese Erkenntnis hat sehr viel Druck von meiner eigenen Erwartung an mich genommen. Seitdem bin ich im Umgang mit den Kindern deutlich entspannter - zumal in der Regel nur wenig, von den Werten, die man alle zwei Tage am Besuchswochenende vorlebt, von den Kindern in ihren Alltag übernommen wird. Ich lebe das vor, was ich für richtig halte. Und auch wenn es bei Mama anders ist, gelten bei uns einfach in manchen Punkten andere Regeln. So müssen bei uns z.B. Teller nicht vorher mit Wasser abgespült werden bevor sie in die Spülmaschine gestellt werden. Es gilt dann einfach die wertfreie Ansage: „Hier machen wir es halt anders.“


Auch die Pflichten kamen ungefragt und undefiniert in mein Leben. Anfangs habe ich diese auch nicht wirklich gesehen - war ich doch so im „rosa Tunnel“ der neuen tollen Patchworkfamilie, in der alles zu klappen schien. Erst als ich drei Wochen Urlaub mit den Kids daheim hinter mir hatte, war mir bewusst, welche Pflichten ich indirekt übernommen hatte: Jeder, der schon einmal drei Wochen lange zwei Teenies und einen Mann umsorgt, bebügelt und beputzt hat, hat eine Ahnung davon, wovon ich spreche. Statt Urlaub war ich nach den drei Wochen definitiv urlaubsreif!

Die erwartete Dankbarkeit oder Wertschätzung, die ich mir gewünscht hätte, blieb logischerweise aus. Stattdessen kam eher die Frage auf, wieso ich das überhaupt so machte? Ich stieg von meinem hohen Ross, alles perfekt erledigen zu wollen, ab, und diskutiere seitdem mit allen Beteiligten aus, wer welche Aufgabe übernehmen möchte.

Gerade im Patchworkleben habe ich als kinderlose Frau viel zu den Themen Selbstliebe und gesunde Abgrenzung lernen dürfen.


An ein Durchsetzen gegenüber dem Kind kann ich mich nicht bewusst erinnern. Jedoch haben wir lange die Frage diskutiert, ob der Partner oder die Kinder „auf Nummer 1“ in der Partnerschaft stehen müssen? Es geht hier nicht um die Frage, wen man zuerst aus einem brennenden Haus rettet, sondern darum, mit wem man sich bespricht und wichtige Entscheidungen trifft. Eine erfüllte Familie kann meines Erachtens nur dann funktionieren, wenn es eine erfüllte Partnerschaft gibt. Das heißt, wenn die Bedürfnisse und Wünsche des Partners gehört werden und gemeinsam Lösungen gefunden werden. Dass es meist nicht funktioniert, die Kinder auf die Nummer 1 zu stellen und den Partner hintenan, zeigt meistens die vorherige gescheiterte Beziehung. Und die Kinderwünsche werden auch dann ausreichend berücksichtigt, wenn wir uns vorher als Paar besprechen, was für uns gemeinsam machbar ist oder auch nicht.


Und wie geht es den Bonus-Müttern und -Vätern, die sich um ihre „neuen“ Kinder kümmern, eigentlich? Sind Sie glücklich? Und hat Ihre Familiengeschichte ein Happy End?


Die Antwort auf die Frage musste ich ein wenig suchen, denn schließlich erinnert sich unser Gehirn leichter an die schlechten Momente als die guten. So denkt man sich oft im „Zirkus Patchworkfamilie“, dass das alles nicht so läuft, wie man es sich wünscht. Nichtsdestotrotz bin ich glücklich. Denn ich liebe meinen Partner und mit ihm seine Kinder. Auch wenn es manchmal schwer fällt. Vermutlich ist das aber bei leiblichen Kindern ähnlich.

Ich glaube an das Happy End, auch wenn es wöchentlich und manchmal sogar täglich Ups and Downs gibt. So habe ich letzte Woche meine Bonustochter, das Pubertier, mit zu einem Praktikum auf meine Arbeit genommen. Erstaunlicherweise haben wir uns wunderbar verstanden. Für diese Woche definitiv ein Happy End! Wie es nächste Woche aussieht? I don’t know. Ich lasse mich einfach überraschen.



Wie ist es bei Dir?Welche Rechte und Pflichten gibt es in Deinem Bonusmamaleben? Und wie würdest Du die Frage nach dem Happy End beantworten?


Ich bin gespannt auf Deine Erlebnisse, Erkenntnisse und Anekdoten und freue mich über Deine Kommentare, Emails oder Anrufe.


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Wichtiger Hinweis: Am 23.06.2021 findet um 18:30 Uhr ein Bonusmutter-Stammtisch in Bergisch-Gladbach statt. Wenn Du Lust hast, daran teilzunehmen, melde Dich gerne bei mir!

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