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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Über die rote Corona Warn-App

Aktualisiert: 18. März 2022




Tag 1: Die Corona Warn-App ist rot!

Wie gewohnt stand ich am Montag, den 02.11.2020 auf. Vor mir lag eine neue Arbeitswoche, die nach den Entscheidungen der Bundesregierung unter dem Zeichen des nächsten Corona-Lockdowns stand. Ahnungslos griff ich um viertel vor 7 zu meinem Handy, welches mich an just jenem Morgen mit einer Push-Nachricht der Corona Warn-App begrüßte. Ich öffnete die App und in leuchtend roten Farben wurde ich darüber informiert, dass nun ein „Erhöhtes Risiko“ vorläge.

Ich klickte auf den Pfeil – neugierig, welche Informationen mich wohl erwarten würden? Ich hatte 6 Begegnungen und „6 Tage seit der letzten Begegnung“. Im weiteren Verlauf wurde mir erklärt, dass ich ein „[…] ein erhöhtes Infektionsrisiko hätte, da [ich] zuletzt vor 6 Tagen mindestens einer nachweislich Corona-positiv getesteten Person über einen längeren Zeitraum und mit einem geringen Abstand begegnet [sei].“ Aha.


Mir wurde als Verhalten vorgeschlagen:

- Begeben Sie sich, wenn möglich, nach Hause bzw. bleiben Sie zu Hause.

- Halten Sie mindestens 1,5 Meter Abstand zu anderen Personen.

- Für Fragen zu auftretenden Symptomen, Testmöglichkeiten und weiteren Isolationsmaßnahmen, wenden Sie sich bitte an eine der folgenden Stellen:

o Ihre Hausarztpraxis

o Den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116117

o Ihr Gesundheitsamt




Ich entschied mich - aufgrund der Uhrzeit - für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst.

Hier empfing mich eine freundliche Ansagestimme:

„Wenn Sie Informationen zum Händewaschen benötigen, drücken Sie die 1.

Wenn Sie Informationen zum Masketragen benötigen, drücken Sie die 2.“

Dies ist ein wenig überspitzt dargestellt, aber für mich hörte es sich nicht so an, als ob man mir zeitnah weiterhelfen könnte – zumal es jetzt für diese Tipps definitiv zu spät war.


Ich wählte nun Variante 2: die Hausarztpraxis.

Eine bekannte Stimme in Form der Sprechstundenhilfe seufzte mich an: „Da muss ich jetzt erstmal schauen, was wir tun. Gibt ja schon wieder neue Coronaregeln. Können Sie bitte einmal vorlesen, was genau bei Ihnen steht?“

Ich las alles vor, was die Corona Warn-App zu bieten hatte und wir beschlossen gemeinsam, dass bestimmt ein Test die sinnvollste Lösung sei, auch wenn ich keinerlei Symptome hatte.


Ich wurde instruiert, wo ich mich auf dem Parkplatz der Arztpraxis einzufinden hatte, damit man einen Abstrich machen konnte. Die Sprechstundenhilfe erwartete mich bereits in schickster Bomben-Entschärfungs-Klamotte. Als der Würgereiz kam, wurde die Abstrichnahme beendet und ich durfte wieder nach Hause.


Glücklicherweise befand sich mein Arbeitslaptop daheim, so dass ich den Handlungsempfehlungen, mich nach Hause zu begeben, direkt folgen konnte. Hier sei aber die berechtigte Frage gestellt, wie man wohl vorgeht, wenn man nicht in einer solchen Luxussituation ist, jederzeit im Homeoffice arbeiten zu können? Eine Frage, auf die ich bei meiner weiteren Recherche im Internet keine Antwort gefunden habe. Zumal, wie mir das Internet verriet, bei roter Corona Warn-App und keinerlei Symptomen auch keine Krankschreibung erfolgt?


Tag 2: Gemütlich im Homeoffice

Wie dem auch sei. Ich richtete mich im Homeoffice gemütlich ein und genoss es ein wenig, Marc nun zum Einkaufen zu schicken, da ich ja nun mal – lt. Weisung des Chief-Officers Corona Warn-App – zu Hause bleiben sollte.


Zudem hatte sich nach intensiven Recherchen meinerseits mittels Kasseneinkaufsbons auch herausgestellt, dass die Warn-App bei meinem letzten Besuch beim Aldi –diesem Sündenpfuhl!- angeschlagen haben musste, da ich genau 15 Minuten am vergangenen Mittwoch von 18:36-18:51 Uhr dort gewesen war.


Der Arbeitstag am Montag war noch aufregend, da ich Hinz und Kunz von meinen Erfahrungen berichten konnte – so viel war schon lange nicht mehr in meinem Leben passiert (gut, man redete mal wieder über Corona, aber so ist das halt 2020).


Dienstags mischte sich das Ganze im Kollegenkreis mit diversen Sorgen: Verschiedene Gerüchte waren in der Welt, dass ich noch einen 2. Test bräuchte oder aber nach dem Ergebnis noch 14 Tage in Quarantäne müsste. Letzteres fand ich gar nicht so lustig. Zumal ich ja nicht mal wusste, wer diese ominöse Person gewesen sein sollte, die sich zeitgleich mit mir 15 Minuten im Aldi aufgehalten hatte? Gesprochen hatte ich mit niemanden und nicht mal mehr an der Kasse gewartet...


Tag 3: Das Test-Ergebnis des Corona-Tests

Ich verschob das Sorgen machen auf Mittwoch, denn da war der ersehnte Tag, an dem ich beim Arzt nach dem Testergebnis fragen konnte (auch interessant: wenn das Ergebnis positiv sein sollte, wollte man mich anrufen; wenn er negativ sein sollte, dann nicht – keine zufriedenstellende Lösung für einen kleinen Kontrollfreak wie mich).


Ich rief dann brav am Vormittag an, d.h. 10:30 Uhr – in der Hoffnung, dass die Sprechstundenhilfen Zeit hätten und in der Folge zum „plaudern“ aufgelegt wären. Aber nö. Die Stimmung war gestresst und übrigens auch kein Testergebnis da. Das gleiche galt dann für meinen Anruf um 11:50 Uhr. Danach hatte das Thema sich dann erstmal erledigt, da Ärzte bekanntermaßen Mittwoch nachmittags geschlossen haben.


Nun war der Zeitpunkt gekommen, indem ich mich entschied, doch einmal zu schauen, wie bei meinem voraussichtlichen Befund „negativer Test, keine Symptome“ nach Empfehlungen des RKI weiter vorzugehen sei.


Ich fand nach diversen Lebensberichten anderer Menschen – vorzugsweise in Großstädten wie Berlin lebend -, die wahrliche Horrorszenarien bei der Suche nach einem Arzt oder dem Gesundheitsamt erlebt hatten. An dieser Stelle möchte ich dem Kuhkaff, in dem wir leben, noch einmal ganz besonders danken, dass es hier noch keine Massen an Coronakranken und Testzentren gibt.


Nach längerer Recherche fand ich ein Informationsblatt „Zur Information für die Mitarbeiter/innen der Gesundheitsämter“ .Ein überschaubares Ablaufdiagramm zeigte auf, was zu tun war.


Ich erkannte, dass meine (Krankheitsgeschichte) wohl die Fallvariante „Asymptomatisch> Ärztliches Gespräch zur Klärung der Kontaktsituation und des Weiterverbreitungsrisikos> Relevant erhöhtes Infektions- oder Weiterverbreitungsrisiko oder Kontaktsituation aufgrund fehlender Informationen unklar > PCR-Testung auf SARS-CoV-2 anbieten“ war.


Weiter las ich:

„Hinweis, dass negativer Test eine Infektion nicht ausschließt.“ Ok, das wusste ich auch schon vorher.


Es ging weiter: „Nachdrücklicher Hinweis auf AHA-Regeln.“ – Kein Thema; schließlich habe ich seit 6 Monaten den Desinfektionsverbrauch einer durchschnittlichen Toilettenputzkolonne (… ok, je nachdem kein so gelungener Vergleich!?!).


„Empfehlung zu Hause zu bleiben und Kontakt zu reduzieren, wenn möglich.“ – Das mit dem Homeoffice klappte super und aufs Einkaufen gehen zu verzichten, kam mir auch sehr gelegen.


Mir schwante aber nichts Gutes bei den Worten „Kontakt zu reduzieren, wenn möglich.“ (Den Hinweis in der App „Wenn Sie nach Hause kommen, vermeiden Sie auch Begegnungen mit Familienmitgliedern und Mitbewohnern“ hatte ich bis dato auch komplett ignoriert).


Glücklicherweise waren die Kids am Wochenende vor meiner roten Nachricht nicht da gewesen (Ergänzung der Redaktion: das wäre auch – literally!!!- der Super-GAU gewesen, wenn wir Montag morgens erstmal hätten klären müssen, ob Marc die Kinder zur Schule bringen kann oder ob sie –aufgrund MEINER roten WarnApp – auch zum Corona-Test gemusst hätten!).

Allerdings bedeutete dies, dass am kommenden Wochenende Besuchswochenende war.


Tag 4: Weiteres Warten auf das Corona-Test-Ergebnis

In Zeiten des Homeoffice ist es wichtig, Rituale beizubehalten. Wie beispielsweise: morgens früh aufzustehen. Der Wecker klingelte nun allerdings eine halbe Stunde später, da ich ja schließlich nicht zur Arbeit fahren musste. Die 7-Uhr-Nachrichten begrüßten uns mit folgendem Hinweis: „Die Corona-Tests in Deutschland brauchen besonders lange, da die Testzentren überlastet sind.“

Ich unternahm meinen obligatorischen Anruf in der Praxis. Die Sprechstundenhilfe versprach mir sich sofort bei mir zu melden, sobald das Testergebnis da wäre.

Da ich – wie immer im Leben – gut vorbereitet sein wollte, googelte ich dann schon mal, wie man die rote Warn-App denn wieder wegbekommt?

Zudem hatte ich einen Artikel gefunden (https://fudder.de/was-ich-tat-als-meine-corona-app-rot-leuchtete--197715578.html), in dem die Autorin beschrieb, dass die Corona App selbst entsprechende Infos über einen negativen Test bereithielte, wenn man den Barcode des Tests oder die 10 stellige Tan eingegeben hätte. Beides hatte ich natürlich nicht.

Eine Freundin, die auch schon die rote App durchlebt hatte, teilte mir mit, dass die App halt irgendwann wieder grün wäre. Ein negatives Testergebnis trägt man nämlich in die App nicht ein.


Tag 5: Die rote Corona Warn-App ist wieder grün

Freitag morgen überraschte mich die Corona Warn-App erneut, denn nun war sie wieder grün.


Was hatte das nun zu bedeuten?

Ich startete eine neue Google-Recherche: „rote Corona App wieder grün“. Ein Artikel aus der Zeit informierte mich, dass „die App rot eingefärbt {bleibt}, bis Tag 15 nach der letzten Risikobegegnung vergangen ist, so ein Sprecher des Robert-Koch-Instituts.“


Leider konnte man dem Artikel nicht entnehmen, wann er geschrieben wurde, so dass ich weitersuchte. 15 Tage seit dem letzten Kontakt war jetzt natürlich auch wieder ein ganz anderer Zeitpunkt als die bisher genannten -6 Tage. Es herrschte absolute Unsicherheit.


Ich beschloss, mir die Internetseite des RKI (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/WarnApp/Warn_App.html) anzuschauen – frei nach dem Motto „einfach mal jemanden fragen, der sich damit auskennt“.


Auf der Seite wurde ich dann auch fündig: „So funktioniert die Corona Warn-App im Detail.“

Ich war so nah dran, endlich eine verlässliche Antwort zu erhalten:

Ein Fenster öffnete mit vielen schönen Bildern der Corona WarnApp.

Endlich hatte ich die Technik verstanden. (Natürlich nicht!)

Auch dieses pdf war nicht genau das, was ich suchte.


Ich scrollte mich durch die Seite des RKI und fand unter „epidemiologische Fragen“ immerhin nachfolgende Antwort:

"Die Inkubationszeit gibt die Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung an. Sie liegt im Mittel (Median) bei 5–6 Tagen (Spannweite 1 bis 14 Tage). Das serielle Intervall definiert das durchschnittliche Intervall vom Beginn der Erkrankung eines ansteckenden Falles bis zum Erkrankungsbeginn eines von diesem angesteckten Falles. Das Robert Koch-Institut schätzt das serielle Intervall für SARS-CoV-2 im Median auf vier Tage (Interquartilsabstand: 3–5 Tage), was durch verschiedene Studien gestützt wird. Um jedoch alle Eventualitäten in der App abzudecken, wurde die Spannweite von 14 Tagen verwendet."


Zwar ist immer noch nicht geklärt, warum mir erst die App 6 Tage seit der letzten Risikobegegnung anzeigt, um dann 5 Tage später wieder auf grün zu springen? Ich ignorierte die mathematischen Unschlüssigkeiten und hoffte auf den Anruf der Arztpraxis.


Um 11:45 Uhr rufe ich erneut in der Praxis an. Die Sprechstundenhilfe – dieses Mal eine andere – war maximal genervt. Mein Test-Ergebnis sei immer noch nicht da, ich müsste natürlich am Wochenende zu Hause bleiben und am Montag wäre eine Fahrt ins Büro auch nicht möglich. Ich erinnere kurz daran, dass ich nicht in Quarantäne sei, aber das interessiert sie nicht. Ich legte auf.


Kein Corona-Test-Ergebnis - Was tun?

So, da standen wir nun. Keine Symptome und fünf Tage nach dem Corona-Test.

Ein Ergebnis liegt nicht vor.


Ich bin mir aufgrund der unterschiedlichen Informationen, die die App liefert über den Zeitpunkt des Kontakts, unsicher, wer denn jetzt überhaupt der ominöse Mensch gewesen sein soll, der infiziert ist und mit dem ich 15 Minuten etwas zu tun hatte.


Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir Uschi noch nicht darüber informiert. Wir hatten schließlich darauf gesetzt, dass ein negatives Test-Ergebnis bis Freitagmittag vorliegt.


Ich hatte die ganze Woche mit „offenen Karten“ gespielt und alle im Büro und unsere Freunde (die es hören wollten oder nicht) informiert. Wir sind hin und her gerissen: diese Informationspolitik wollen wir auch mit Uschi walten lassen; allerdings befürchten wir hier -wie so oft- irrationales Verhalten.


Andererseits wollen wir unsere eigenen Standards nicht senken, weil die andere Seite möglicherweise „komisch“ reagiert. Wir vertagen die Diskussion (haben ja schließlich noch 2-3 Stündchen bis zum Kinderabholen).


Ich telefoniere erst einmal mit meinem Chef, um ihn über das Nicht-Ergebnis zu informieren. Auch er war inzwischen der Meinung, dass ich Montag wieder ins Büro kommen kann. Irgendwie ist doch alles Quatsch, fanden wir gemeinsam.


Ich weiß nicht, wer die infizierte Person ist, mit der ich angeblich 15 Minuten Kontakt hatte. Ich habe keine Symptome und der Corona-Test wurde vorsorglich gemacht. Eine Quarantäne wurde zu keinem Zeitpunkt von niemanden angeordnet (weder Gesundheitsamt noch Arzt). Alles was ich habe, ist eine App, die rot leuchtet (ich spiele hier nicht die Wichtigkeit der App herunter, aber ich konnte ja nun wirklich selber keinen Kontakt mit einer infizierten Person ausmachen).


Die App hatte mir bei „erhöhtem Risiko“ empfohlen, 1,5 Meter Abstands zu halten. Das bekomme ich im Büro hin, zumal eh nur die Hälfte der Kollegen im Büro ist.

Ich darf Montag wieder ins Büro kommen. Juhu! Ich freue mich!!


Das Thema ist schon mal geklärt – aber immer noch offen:


Was tun mit Uschi?

Wir überlegen erneut: fünf meiner Freundinnen, denen ich von meinen Erfahrungen erzählt hatte, hatten die App gar nicht. Die Gründe waren verschieden:

- Batterieverbrauch der App

- Datenschutzgründe

- Man kannte die App gar nicht.

- Man ist eh nur im Homeoffice und „passt beim Einkaufen schon auf“.

Meine Mama hat die App zwar auf ihrem Handy, vergisst ihr Handy aber regelmäßig zu Hause.


Wir haben also eine wunderbare Rechtfertigungsgeschichte, warum wir es Uschi nicht erzählen - frei nach dem Motto: hätte ich die Warn-App nicht gehabt, hätten wir das Drama der letzten Woche nicht gehabt.


Wir lesen im Internet noch einmal die Handreichung für Ärzte:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/WarnApp/Handreichung-Arzt.html


Wir kommen zu dem Schluss, dass die Corona-Test-Variante die sicherste Variante war und man auch locker die Variante der Nicht-Testung bei meiner „Vorgeschichte“ hätte wählen können. Die Corona Warn-App ist wieder grün – also sind 14 Tage seit dem Kontakt vergangen.


Wir schauen uns tief in die Augen und entscheiden uns dagegen, Uschi davon zu erzählen. Wir sind nicht sonderlich stolz auf die Entscheidung, aber wir denken, dass wir nicht noch mehr Drama brauchen. Zudem sind wir der tiefen Überzeugung, dass ich kein Corona habe und damit keine Gefahr für die Kids darstelle.

[To be continued...]


Welche Erfahrungen habt Ihr bisher mit Corona gemacht? Welche Erfahrungen habt Ihr mit der App gemacht? Welchen Einfluss hatte Corona auf Eure Patchworksituation? Oder wie hättet Ihr an unserer Stelle entschieden? Ich bin auf Eure Antworten gespannt.


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