Letztes Wochenende habe ich www.bonusmutter.de bei der Heartspeaking Academy vorgestellt. Wie der Begriff schon andeutet, geht es bei der Academy darum, zu lernen, mit seinem Herzen zu sprechen und Herzprojekte entsprechend zu kommunizieren. Daher war bonusmutter.de als Plattform für den Austausch von Stiefmüttern genau das richtige Thema für die Christmas-Edition.
Das Feedback eines Teilnehmers
Über ein Feedback eines Teilnehmers (Daniel) möchte ich heute schreiben. Daniel fühlte sich von dem Thema besonders angesprochen, denn er selbst war (und ist) Bonuskind. Er hatte sowohl eine Bonusmama als auch einen Bonuspapa.
Die Bonusmama, die er eigentlich ganz gut fand, war leider irgendwann Geschichte, aber der Bonuspapa ist noch heute in seinem Leben. Daniel berichtete, dass sein leiblicher Vater cholerisch war und der Bonuspapa das genaue Gegenteil – stets ruhig und bedacht. Er fand es total gut, dass er noch ein anderes Rollenmodel in seinem Leben kennengelernt hat. Seinen cholerischen Vater hat er nicht abgewertet, sondern sein Verhalten als andere Möglichkeit angesehen, mit Geschehnissen umzugehen. Beide Männer haben sein Leben unglaublich bereichert und er ist unfassbar dankbar dafür, von beiden gelernt zu haben.
Gegensätze
Als Daniel dies erzählte, musste ich innerlich total schmunzeln. Ich habe es schon oft gehört, dass leiblicher Elternteil und Bonusmama oder -papa diametral gegensätzlich sind. Dies ist ja auch nicht verwunderlich; schließlich hat das Gehirn mit dem einen Typ Mensch schlechte Erfahrungen gemacht. Also wählt es künftig erstmal das genaue Gegenteil. Wie gut das dann tatsächlich auf einen selber passt, muss man (dann aber meist) trotzdem noch schauen.
Unser Kennenlernen
Bei uns ist es nicht anders:
Als Marc und ich uns beim Speeddating kennenlernten, ging es inhaltlich erst einmal um Sternzeichen. Marc hat als Steinbock kurz vor Weihnachten Geburtstag und wurde von mir bemitleidet, weil er dann wohl wenige Geburtstagsgeschenke bekommt. Kinder, die -wie ich- im September Geburtstag haben, haben da meist mehr Glück mit der Anzahl an Geschenken. Marc stellte fest, dass Steinböcke und Jungfrauen (astrologisch gesehen) hervorragend zusammenpassen. Das stimmte natürlich inhaltlich; ich dachte aber nur: „Was ein Freak! Welcher Mann weiß denn, welche Sternzeichen zusammenpassen???“
Es kam zum Themenwechsel: „Was machst Du denn beruflich?“ Als ich antwortete, brach Marc literally am Tisch vor mir zusammen und meinte nur: „Ich war schon mal verheiratet. Meine Ex hat das gleiche Sternzeichen wie Du und auch noch denselben Beruf.“
Ich schaute verdutzt: „Ich nehme an, das ist dann jetzt eher schlecht für mich?“
Keine Gemeinsamkeiten
Trotz dieser Gemeinsamkeiten hat es dann doch zu einer Beziehung „gereicht“, denn obwohl diese zwei Gemeinsamkeiten zwischen Uschi und mir bestanden, sind wir in nahezu allen Punkten 180 Grad gegensätzlich. Hier ein paar (random) Beispiele:
- Uschi macht gern Strandurlaub in der Türkei. – Ich bin im Urlaub gerne aktiv und alles mit frischer Luft und körperlicher Anstrengung ist willkommen (stundenlanges Skifahren, 5000er Besteigen, usw.).
- Uschi redet gerne übers laufen gehen und Sport machen. – Ich gehe laufen.
- Uschi verabscheut das Arbeiten. – Ich liebe meine Arbeit (meistens).
- Uschi entscheidet anhand des Aussehens über den Wert eines Menschen. – Mich interessiert das Wesen eines Menschen und die Geschichten der Menschen viel mehr als die Frage, ob sie bei Germany’s Next Topmodel unter die TOP 5 kommen könnten.
- Uschi meckert stets über alles und jeden (die Regierung, das System, die Schule, der Arbeitgeber, die Kollegen, Corona, die Kinder…). – Ich meckere auch oft, aber überlege mir meistens, was das, was passiert, mit mir zu tun hat und warum es mich gerade stört.
- Uschis ändert ihre Meinungen wie das Fähnchen im Winde. – Ich bin da eher borniert und ändere meine Meinung nur einmal alle 100 Jahre.
- Uschis Laune kippt innerhalb von Nannosekunden um, ohne, dass man weiß, weshalb – Meine Laune ändert sich auch hin und wieder; aber – das ist sicher – das Gegenüber weiß warum.
Die Aufzählung könnte unendlich so weitergehen… Es geht mir nicht darum, Uschi schlecht zu machen – meine Eigenheiten sind ja auch nicht immer sonderlich vorzeigefähig. Es geht vielmehr darum, aufzuzeigen, dass Menschen unterschiedlich sind und dass man immer verschiedene Möglichkeiten hat, zu agieren und zu reagieren. Es zeigt, dass kein Verhalten in Stein gemeißelt ist und man Dinge auch einfach anders machen kann und es so auch funktionieren kann. Oder das manche Verhalten für ein Ergebnis eben nicht funktionieren.
Die spontane Laufaktion
So war ich vorgestern mit Tommi eine Runde laufen. Tommi kämpft seit Corona – homeschooling- und playstationbedingt – mit ein, zwei Kilo zu viel auf der Waage. Ich habe ihn schon öfter gefragt, ob er mitkommen möchte, wenn ich laufen gehe und vorgestern sagte er dann spontan „ok“. Schnell waren Jogginghose und Sportklamotte angezogen und wir liefen los. Ich schlug ihm vor, dass wir 1,5 km zusammenliefen und er dann – wie seine Schwester es bisher gehandhabt hatte – die letzten 500 Meter alleine nach Hause laufen sollte. Nach dem ersten Kilometer, als es schon „umkehren“ hieß, fragte er, ob ich denn ohne ihn weiterlaufen würde?
„Ja, ich würde noch bis zur Schule laufen.“ Das wollte er dann auch. Wir liefen also weiter bis zur Schule und beschlossen dann nach 2 km umzudrehen.
Tommi ist dann an dem Tag aus dem Stand 4 km am Stück gelaufen. Ich weiß gar nicht, wer von uns am stolzesten war: Tommi? Oder vielleicht ich?
Ich muss zugeben, dass ich ihm das nicht zugetraut hätte und war wirklich beeindruckt, dass er das einfach so knallhart durchgezogen hat.
Für Tommis Ego war es – so schätze ich es ein – auch eine gute Sache, denn seine „Unfitness“ hatte ihm in der letzten Zeit eher schlechte Gefühle beschert und er hatte jetzt mal eben schnell das Gegenteil bewiesen.
Das „role modell“
Marc meinte, dass es einfach gut sei, dass Tommi einen anderen Typ Frau kennenlernt und es jemanden gibt, der ihn zu so etwas animiert. Ich musste in dem Moment unweigerlich an den Begriff „role modell“ denken. Ich selber übersetze das Wort immer ein wenig mit „Rollenmodell“. Rollenmodell ist in meinem Gehirn das Modell einer Rolle: die gemütliche Mutter, die sportliche Mutter, die busy Mom, die Businessfrau, usw.
Meine Übersetzung ist aber nicht ganz zutreffend, denn „role modell“ bedeutet übersetzt „Vorbild“. Vorbild wiederum ist in meinem Kopf jedoch ein sehr großer, gewichtiger und bedeutender Begriff.
Wer oder was ist ein Vorbild?
Ich bin einmal gefragt worden, welche Vorbilder ich in meinem Leben hatte bzw. welcher Mensch ein Vorbild für mich war? Damals antwortete ich, dass es niemanden gegeben hätte.
Das Wort Vorbild gibt es in meinem Kopf auch nur mit einem Adjektiv versehen: GUTES Vorbild. Denn Vorbild musste in meiner Vorstellung ein Mensch sein, zu dem man hinaufschaut, der einen beeindruckt und der so sein sollte, wie man gerne selber in seiner kühnsten Vision von sich selbst sein wollte – kurz: ein Mensch, der „perfekt“ ist. Perfekt bedeutete in meiner Vorstellung aber auch, dass man keine Fehler macht. Der erfahrene Leser weiß, dass dies nahezu unmöglich ist. Denn jeder Mensch, der lebt und Wagnisse eingeht, läuft auch immer Gefahr, Fehler zu machen. Und meistens sind es ja auch gerade unsere Fehler, die uns die größte Möglichkeit geben, um zu wachsen.
Würde man mir heute – mit noch etwas mehr Lebenserfahrung – die Frage noch einmal stellen, würde ich sie auch beantworten können: mein Vorbild war immer mein Papa. Er zeichnete sich dadurch aus, dass er eine wirklich gute Seele hatte. Dies ist mir erst so richtig klar geworden, als ein entfernter Bekannter in der Trauerkarte für ihn schrieb: „Egal, wann man kam, er war immer für einen da und hat geholfen.“ Treffender hätte man es nicht beschreiben können.
Hat auch er Fehler gemacht? Aber na klar! Waren andere Menschen davon betroffen? Na logo! - aber man konnte sich auch sicher sein, dass er sich bei den „Betroffenen“ entschuldigt hat. Und was auch sicher ist, dass er aus seinen Fehlern gelernt hat.
Eine andere Möglichkeit aufzeigen
Ich habe auch einmal mit meiner sehr guten Freundin Lisa, die selbst Bonusmama eines (inzwischen Mitte 20-jährigen) Bonussohnes ist, über das Thema gesprochen: Es ginge nicht darum, besser oder auf Biegen und Brechen anders als der Elternteil zu sein. Es ginge einfach darum, so zu sein, wie man ist, und damit eine andere Möglichkeit, wie man sein Leben gestalten kann, darzustellen. Das Bonuskind entscheide dann selber, ob es das eine oder das andere cooler findet. Hier gäbe es kein richtig oder kein falsch; lediglich zwei Möglichkeiten (sowie unendlich viele Möglichkeiten „dazwischen“). Es gäbe lediglich den Beweis, dass das eine in dieser Welt möglich sei genauso wie das andere.
Das Bonuskind hat die Möglichkeit, Erfahrungen in Bereichen zu machen, die es sonst vielleicht nicht gemacht hätte. Und darum geht es doch generell im Leben: neue Dinge kennenlernen, Erfahrungen sammeln und letzten Endes das machen, wozu man bestimmt ist.
Und ob man dafür immer ein Vorbild in dem von mir definierten Sinne sein muss, ist letztlich egal. Wenn ich mit meinem Sein einen klitzekleinen Beitrag zu diesem Ziel beisteuern kann, dann war es doch „all worth it“.
In diesem Sinne wünsche ich Euch einen guten Start in ein aufregendes Neues Jahr, das uns mannigfach die Möglichkeit geben wird, ein Vorbild zu sein!
Wie ist es bei Euch? Ist Uschi auch das Gegenteil von Euch oder gibt es viele Ähnlichkeiten? Wie geht Ihr damit um, wenn Ihr Dinge anders handhabt und damit erstmal auf Widerstand bei den Bonuskids stoßt? Habt Ihr auch schon festgestellt, dass Eure Bonuskids die Sachen, die es nur bei Euch gibt, für sich austesten und in ihr Leben etablieren?
Ich bin gespannt auf Eure Erlebnisse und Erkenntnisse und freue mich über Eure Kommentare, Emails oder Anrufe.
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