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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Über die schönsten Wochen des Jahres

Aktualisiert: 18. März 2022


Wir schreiben das Jahr 2020 und es ist Corona. Nach monatelangem (nicht nur gefühltem, sondern tatsächlichem) Schulausfall sind die Schulferien angebrochen, die nicht von allen Eltern mit großer Begeisterung erwartet wurden. Die Urlaubspläne sind unterschiedlich: entweder wurde der Urlaub gecancelt, man hatte noch nichts gebucht und steht nun vor der großen Frage, wohin man denn überhaupt reisen kann, oder man kann den im Vorjahr gebuchten Urlaub tatsächlich antreten? Letzteres war der Fall bei Uschi, Annika und Tommi, die in der 2. Schulferienwoche in den im Vorjahr geplanten Griechenlandurlaub geflogen sind.

Wir erhielten schöne Fotos von Wanderungen, Kanutouren und Beachvolleyballturnieren und als man die Heimgekehrten dann fragte, wie denn der Urlaub gewesen war, kam ein einstimmiges „es war so scheiße.“

Im ersten Moment ist man ein wenig überrascht und versucht zu ergründen, woran es gelegen haben mag:

„Habt Ihr da nicht viel Schönes gemacht?“ – „Doch.“

„Waren da keine netten Kinder?“ – „Nein, die waren alle blöd.“

„Alle?“ – „Ja, die meisten.“

„War denn nicht das Kanufahren gut?“ – „Doch, aber ich war mit Mama im Kanu und die hat das Lenken nicht hinbekommen, so dass wir die langsamsten waren.“

„War denn das Hotel auch blöd?“ – „Ja, da waren Tiere im Zimmer.“ - „Ihr wart ja auch in Griechenland; da können schon mal Tiere sein.“ – „Ja, aber da waren BESONDERS viele.“

Aha… so ganz erschloss sich mir immer noch nicht, warum jetzt alles „so scheiße“ gewesen war; zumal die bisherigen Erzählungen und Fotos etwas anderes erwarten ließen. Also fragte ich noch mal: „Warum war es denn jetzt so scheiße?“

Darauf antwortet mir Tommi mit weit aufgerissenen Augen: „Wenn wir abends etwas beim Abendessen getrunken haben, dann musste man das alles bezahlen!“

Nachfolgend ein paar Gedanken, die in Nannosekundenschnelle durch meinen Kopf jagen: Wieso weiß ein 10jähriger, wie die Zahlungsmodalitäten im Hotel sind? Warum sollte man sein Getränk abends eigentlich nicht bezahlen? Und wieso ist das für manche Menschen so ein Skandal? Vermutlich nur, wenn man sonst All-Inklusiv bucht und dann ohne Sinn und Verstand konsumiert (letzteres natürlich meine Bewertung)? Und inwiefern ist Tommi unmittelbar davon betroffen? Es liegt auf der Hand, dass Tommi nur mittelbar betroffen ist – nämlich in der Gestalt, dass vermutlich Uschi auf die Tatsache, dass „nur“ Halbpension gebucht wurde, mehrfach hingewiesen hat und jede bestellte Apfelschorle zu höheren Kosten führte.


Ausgehend von meiner Vermutung – die natürlich nicht die Wahrheit sein muss – frage ich Tommi: „Wieso sollte man denn nicht dafür bezahlen? Wenn man in ein Hotel oder Restaurant geht, zahlt man immer das Essen und das Trinken. Die Besitzer wollen ja auch etwas verdienen.“

Tommi schaut mich verdutzt an: „Ja, aber sonst muss man das nicht bezahlen.“

Darauf entgegnete ich: „Dann hat man wahrscheinlich vorher mehr bezahlt, wenn man einen All-Inklusiv-Urlaub gebucht hat. Wenn man nur Halbpension gebucht hat, dann zahlt man ja auch weniger.“

„Ja, aber auch das war viel zu teuer.“

Im Nachhinein bin ich beeindruckt und erschreckt zugleich, wie viel die Meinung von Erwachsenen zählt und wie sehr die Kinder diese Meinung zu ihrer eigenen machen. Für Annika und Tommi war der Urlaub "so scheiße“. Warum? Weil Uschi das Zimmer zu unsauber war und man abends bei der Halbpension die Getränke zahlen muss (dies ist ausdrücklich keine Diskussion über das Buchen von Halbpension oder All-in und ich bewerte keine der beiden Variante als besser oder schlechter).


Ist es nicht erschreckend, dass diese zwei Bewertungen der Mutter in den Köpfen der Kinder verhaftet bleiben? Vergessen sind schöne Kanutouren, Wanderungen, Muscheln am Strand sammeln, Beachvolleyballspielen usw. Die Wahrheit, die wir Erwachsenen im Kopf haben und die wir negativ bewerten, wird zur Wahrheit für die Kinder. Denn ob es denn jetzt wirklich viel teurer ist, Halbpension mit Getränkezahlen zu wählen oder All-Inklusive hat keiner nachgerechnet und ist für den konkreten Fall nun auch nicht empirisch bewiesen.

Im Raum steht die „Wahrheit“ einer einzelnen Person, dass alles zu teuer ist und daher der Urlaub als „scheiße“ bewertet wird.

Ich behaupte nicht, dass man Gleiches nicht auch schon gemacht hat, ohne sich dessen bewusst zu sein, aber mich regt diese Geschichte einmal mehr an, nicht direkt mit meinen Bewertungen um die Ecke zu kommen. Und vielleicht auch einmal die Bewertung darüber, wie teuer etwas war und ob es sich „gelohnt hat“, für mich zu behalten. Ich kann und werde immer jedes Event nach Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten, aber inwiefern ist es funktional für schöne Erinnerungen das Erlebte mit einem grauen Schleier zu belegen, dass es (möglicherweise) zu teuer war? Wobei das ja auch eine total subjektive Geschichte ist - denn etwas, was Bill Gates möglicherweise als „nicht zu teuer“ einstufen würde, wäre in meiner Welt vermutlich „viel zu teuer“.

Egal, wie man bewertet, aber im Endeffekt sagt man den Kindern, dass die gemachten Erfahrungen und die gemeinsam verbrachte Zeit das bezahlte Geld nicht wert waren.

Erwachsene können (in den meisten Fällen) klar zwischen „Bewertung der Serviceleistung des Hotels“ und „gesamter Urlaubserfahrung“ differenzieren und speichern sich trotz möglicherweise suboptimalen Hotels eine positive Erinnerung ab (wobei ich auch schon von Fällen – meist Frauen – gehört habe, in denen die Tatsache, dass es kein Avocado-Toast zum Frühstück gab, den kompletten Urlaub ruiniert hat). Kinder nehmen diese klare Trennung im Gehirn nicht vor, denn im vorliegenden Fall war der komplette Urlaub „so scheiße“ (und halt nicht nur das Hotel).

Um in Zukunft ein anderes Ergebnis zu erreichen, kann man einfach mal etwas anderes versuchen: Man könnte als Erwachsener beim nächsten Mal einfach mal „den Rand halten“, wenn es um Bewertungen geht. Ist es nicht eh viel spannender, von den Kindern zu hören, ob ihnen der Urlaub gefallen hat? Und gerade nicht, ob es sich für sie (nach Kosten-Nutzen-Analysengedanken) „gelohnt“ hat? Denn ich glaube, gemeinsam mit der Familie verbrachte Zeit wiegt die Ameisenstraße im Hotelzimmer allemal auf und den Kindern ist es auch egal, was etwas gekostet hat, sofern man ihnen das nicht andauernd auf die Nase bindet.

Wie ist es bei Euch? Habt Ihr auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie geht ihr damit um, wenn Ihr das Gefühl habt, dass die Meinung des/r Bonuskid(s) eigentlich Uschis Meinung(en) ist/sind? Teilt gerne Eure Erfahrungen in den Kommentaren. Ich freu mich drauf!

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