Warum wird das Bonusmutterdasein eigentlich von so vielen Bonusmüttern – mich eingeschlossen – zuweilen oder immer als „anstrengend“, „herausfordernd“ oder „schwierig“ empfunden?
Erst einmal deuten so Bewertungen wie „anstrengend“, „herausfordernd“ oder „schwierig“ darauf hin, dass man Widerstand gegen etwas oder jemanden leistet. Denn, wenn wir etwas gut finden oder alles so läuft, wie wir es gerne haben, dann haben wir keine Empfindungen wie „schwer“ oder „anstrengend“. Dann ist alles einfach und leicht.
Wir leisten also Widerstand gegen das, was ist.
Gibt es das auch in „normalen Familien“? Na klar, denn auch hier tun Kinder nicht immer das, was sie sollten, der Partner reagiert anders, als wir es gerne hätten, usw. Gerade in Patchworkfamilien wird die Situation aber noch verschärft: einmal gibt es Uschi, deren Vorschläge und Ideen nicht immer die Zustimmung des Lebensgefährten und der Bonusmama finden. Außerdem müssen sich Kinder und Lebensgefährte und neue Partnerin nach zwölf Tagen bei Uschi immer wieder erstmal aneinander annähern. Die Kinder machen das, was sie bei Uschi dürfen, was nicht zwangsläufig das ist, was sie beim anderen Elternteil dürfen.
Ein häufiger „Aneck-Punkt“ ist bei uns das Thema „direkt antworten“: Kommen Annika und Tommi nach zwölf Tagen von Uschi zurück, kann man ihnen erstmal wieder beibringen, dass sie bitte schön direkt antworten, wenn man sie etwas fragt. Nicht erst, wenn man das dritte Mal gefragt hat. Leiste ich da Widerstand gegen das, was ist? Yup!
Aber gut, über ähnliches können vermutlich auch leibliche Eltern berichten, wenn der Nachwuchs nicht so spurt, wie sie sollten. Und solche Situationen hat man nun als Bonusmama seit vier Jahren schon oft genug durchlebt – das lässt meinen Blutdruck genauso hoch steigen, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Also ungefähr gar nicht mehr.
Was ist es also, wovon man spricht, wenn man sagt, das Bonusmamadasein, sei anstrengend?
Bei uns ist es aktuell so, dass Annika und Tommi die letzten vier Wochen bei uns waren, da es Uschi psychisch nicht gut ging und sowohl Kinderärztin als auch das Jugendamt es befürwortet haben, dass die Kinder bei uns sind. Dieses Wochenende waren die Kinder bei ihrer Mutter, um dann für die nächsten drei Wochen fürs Homeschooling zu uns zurückzukehren.
Bei Uschi funktioniert es mit dem Homeschooling nicht. Zwar könnte Uschi im Homeoffice arbeiten, hat sich aber dagegen entschieden, da sie lieber ins Büro fährt. Annika und Tommi finden beide nicht die allmorgendliche Motivation aufzustehen und sich um ihre Hausaufgaben zu kümmern (durchaus nachvollziehbar). Das könnte man noch verschmerzen, aber da Uschi, die halbtags arbeitet, den Nachmittag nutzt, um sich von ihrem anstrengenden Vormittag zu erholen, passiert auch schultechnisch nachmittags leider nada, rien, gar nichts. Dies führte im letzten Frühjahr dazu, dass wir in den drei Tagen, an denen die Kinder bei uns waren, zehn Tage Schulunterricht nachzuholen hatten. Wahrlich nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig.
Wie geht es weiter?
Mögliche Planungen für den Monat Januar sind damit hinfällig geworden. Zeitgleich sollte man sich überlegen, wie die Situation generell weitergeht.
Für mich ist die Lage eindeutig: Uschi kümmert sich nicht gut um die Kinder – also kommen sie zu uns.
Menschlich zu sein ist nicht schwer, weil Du es falsch machst. Es ist schwer, weil du es richtig machst. Du wirst niemals die Tatsache ändern, dass es schwierig ist, menschlich zu sein; also musst Du Deine Vorstellung ändern, dass es jemals einfach sein sollte. Glennon Doyle
Ist es so einfach?
Leider ist es jedoch nicht so einfach: alle übrigen vier Beteiligten haben eine eigene Agenda:
Annika mag ihr Kinderzimmer bei Uschi lieber als ihr Kinderzimmer bei uns. Außerdem hat sie bei Uschi ihre Freunde. Und zu uns ziehen, macht sie nur, wenn wir uns eine Katze anschaffen.
Tommi will seine Freunde nicht verlassen und auch bei Mama leben.
Uschi möchte die Kinder auf jeden Fall behalten – allerdings mit möglichst wenig Aufwand für sie und bitte weiterhin mit Unterhaltszahlungen.
Marc hat die schwierigste Position, da er derjenige ist, der die Entscheidung zu treffen hat. Wir sind uns einig, dass die Kinder bei uns besser aufgehoben wären. Annika sieht das in ihren -nennen wir es mal so – hellen Teenagermomenten auch so; in den nicht so hellen Momenten zieht sie die Variante Mama vor, da man hier leichter tricksen und veräppeln kann (ich habe bewusst die nette Umschreibung gewählt). Und mit fast 14 entscheidet sie eh selber, wo sie leben möchte. Auch Tommi weiß, dass er bei uns mehr lernt und bessere (oder überhaupt!) Strukturen vorfindet, aber vermisst als 10-jähriger seine Mama.
Welche Optionen gibt es?
Einen unschönen Sorgerechtsstreit beim Familiengericht führen mit ungewissem Ausgang? Uschi kümmert sich um die Kinder (zur Schule fahren, zum Klavierunterricht und Fussballtraining bringen, Winterjacken kaufen, usw.), aber das Thema Erziehung ist ihr zu anstrengend. Wie soll man das vor einem Richter beweisen?
Und selbst, wenn man gewinnt, müssen dann künftig zwei Wesen bei uns leben, die es eigentlich gar nicht wollen - Keine sonderlich reizvolle Vorstellung.
Oder einfach nichts tun und alles so lassen, wie es ist? Bei dem Gedanken hat sich mir im ersten Moment der Magen umgedreht. Zumal wir die gleiche Diskussion bereits letztes Jahr hatten und sich – so muss man leider sagen – alles seitdem nur zum Schlechteren verändert hat.
Ich kann Marcs Sorgen und Gedanken nachvollziehen, aber bin unzufrieden darüber, dass ich nichts tun kann. Dass man mit ansehen muss, wie etwas schiefläuft. Oder zumindest nicht so optimal läuft, wie es laufen könnte. My sonstiger „hands-on-approach“, also anpacken und Probleme lösen, ist plötzlich wertlos.
Aufgeben der Kontrolle
Und das ist es vermutlich, wogegen ich persönlich den größten Widerstand leiste: Dass ich nicht "in charge" bin, nicht die Kontrolle habe. Dass das Problem, das in der Welt ist, nicht einfach angegangen und gelöst werden kann. Weil zu viele Personen mit – natürlich zurecht – ihren eigenen Vorstellungen, wie etwas laufen sollte, ein Wörtchen mitzureden haben.
Dass ich das, das was ich als „richtig“ empfinde, einfach nicht durchsetzen kann.
„Erschwert“ wird das Ganze noch durch nachfragende Freunde und Familie, die die Situation genauso sehen und nicht verstehen können, warum man es nicht ändert? Oder andere Bonusmamas, die fragen, warum man sich das überhaupt antut? Soll man doch froh sein, wenn die „Probleme“ bei Uschi bleiben…
Aber so bin ich nicht. Annika und Tommi sind keine „Probleme“, die ich gerne zu Uschi schiebe. Annika und Tommi sind zwei Kinder mit wirklich tollen Charakteren, die leider nicht in den Genuss einer (meine Bewertung!) wertvollen Erziehung kommen, und daher mit Werten groß werden, die nicht meinen entsprechen.
Ich seufze und sehe ein, dass ich (vorerst) mit meinem Latein am Ende bin. Auch ich habe aktuell keine Lösung für die Situation und wie man sie auflösen kann.
Nächste Handlungsoptionen
Was also tun?
Tief durchatmen und loslassen. Einfach mal die Kontrolle aufgeben und schauen was passiert.
Oder wie der Rheinländer sagen würde: et kütt wie et kütt.
Kennt Ihr solche Probleme? Seid Ihr auch schon mal in einer ähnlichen Situation gewesen? Verzweifelt Ihr auch manchmal an dem Gefühl „machtlos“ zu sein? Wie geht Ihr damit um und welche Lösungen habt Ihr gefunden?
Ich bin gespannt auf Eure Erlebnisse, Erkenntnisse und Anekdoten und freue mich über Eure Kommentare, Emails oder Anrufe.
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Liebe Jule, ich habe die selbe Erfahrung gemacht, wenn auch mit einer etwas anderen Problematik dahinter. In den letzten 7 Jahren wurde der Konflikt dann schleichend zu "meinem" Konflikt (mit der gleichen fehlenden Entscheidungsgewalt). Aber ich habe gelernt, Kind und Konflikt zu ignorieren, damit ich meine Energie für die positiven Dinge des Lebens einsetzen kann. Auch wenn das für Außenstehende unmöglich klingt. Halte durch, einfach ist das nicht!