Und so begab es sich, dass die Bonuskinder nach den Sommerferien bei uns wieder abreisten. Ein Kaugummipapier auf dem Teppich und vereinzelte Krümmel im Kinderzimmer der Großen waren stumme Zeitzeugen dessen, was die zwei Wochen zuvor in dem Zimmer passiert war. Annika war mit viel Gepäck angereist – so viel, dass der Kofferraum beim Abholen gesprengt wurde. Hatte sie doch schließlich ihre Nähmaschine sowie Stoffe und einen Berg Klamotten dabei, den sie bei uns „bearbeiten“ wollte. Needless to say, dass alles unberührt wieder mit nach Hause genommen wurde.
Bei der Abreise hatte Marc zusammen mit den Kindern die Betten abgezogen und der im Flur stehende Staubsauger, den ich geschickt in den Weg geräumt hatte, wurde gnadenlos ignoriert (nonverbale Kommunikation kann ich! – Bonuskids und Marc auch).
Es kam also, wie es kommen musste: Beim allwöchentlichen Aufräumen und Putzen der Wohnung (nein, wir haben leider weder Putzfrau noch Putzmann) stand ich also vor Annikas Zimmertür und beschloss dann doch, sie zu öffnen und in Folge dessen das Zimmer zu reinigen.
Ich wollte eigentlich nur schnell mit dem Staubsauger durchdüsen, erkannte aber „erhöhte“ Grade der Verschmutzung und beschloss ein wenig intensiver zu putzen. Soll ja auch sehr meditativ sein, dieses Putzen!
Meditatives Putzen
Beim Reinigen machte ich mir so meine Gedanken: Seit der letzten Renovierung im April hatte das Zimmer kein Putzen erfahren. Also kein Staubsaugen, Staubwischen, geschweige denn aufwischen oder Fenster putzen.
Ich dachte an meine Freundin Astrid, deren Bonustochter (17) sich ein wahres Messizimmer bei ihrem Papa eingerichtet hat. Das Zimmer wird von Astrid nicht mehr betreten und stets angesichts unangenehmer Gerüche auch verschlossen gehalten. Auch der leibliche Vater hält sich tunlichst zurück, es aufzusuchen.
Das wollte ich natürlich nicht, dass dies mit Annikas Zimmer geschieht – wobei man sagen musst, dass es stets höchst chaotisch ist, wenn sie vor Ort ist, sie dann aber ihr Chaos unsortiert wieder in Taschen packt und es mit nach Hause nimmt. Nach meinem Gefühl wird auch etwas zu wenig gelüftet, aber mit ausreichendem Durchlüften nach Abreise des Kindes wird aus dem „Pumakäfig“ wieder ein normaler Raum.
Trotzdem stellte ich mir die Frage, warum eigentlich ICH dafür verantwortlich bin, Annikas Zimmer zu reinigen? Schließlich weist sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit darauf hin, dass es IHR Zimmer ist und Tommy oder wir da nichts zu suchen hätten.
Die Vorgeschichte
Bei dem Zimmer muss man vielleicht noch erwähnen, dass es natürlich eine Vorgeschichte gibt. Als Marc bei mir einzog, war es so, dass wir in einer 3-Zimmer-Wohnung wohnten. Das dritte Zimmer wurde von mir als Büro genutzt und dann mittels einer großen Schlafcouch an jedem zweiten Wochenende in ein Kinderzimmer umgewandelt. Neben Fachliteratur fanden sich nunmehr Legokisten und die Reihe „Leserabe“.
Uschi formulierte damals direkt:
„Was??? Beim Papa hat nicht jeder sein eigenes Zimmer?“ Kindsmutter von Tommi & Annika
Die Kinder thematisierten das nie und erhoben auch keinen Anspruch. Das Ganze funktionierte gut zwei Jahre lang, doch als Annika 12 Jahre alt war, wurde es für sie immer unerträglicher mit ihrem Bruder in einem Zimmer zu schlafen. Insbesondere, weil dieser stets früh aufstand, während sie hingegen gerne länger schlief (Pre-Pubertäts-Anzeichen). Ihren Unmut über die Situation tat sie regelmäßig kund (sehr zu unserem Leidwesen).
Wir beauftragten eine Architektin und gaben im Anschluss 15qm unseres 45qm großen Wohnzimmers ab, damit Annika fortan ihr eigenes Zimmer hatte. Hierzu möchte ich kurz erwähnen, dass Annika seitdem kein einziges Mal reinigende Handlungen in ihrem Zimmer vorgenommen hat.
Artikel 14 Grundgesetz
Ich persönlich zitiere ja gerne Art. 14 Abs. 2 GG: Eigentum verpflichtet.
(Die Juristinnen oder juristisch Gebildeten unter Euch werden natürlich direkt erkennen, dass das bei Annika und ihrem Zimmer formaljuristisch nicht passt, da Annika nicht das Eigentum an dem Zimmer hält, sondern nur im Besitz des Zimmers ist, aber ich verwende es trotzdem gerne, da Annika diese Kenntnisse nicht hat und diese zwei Worte eigentlich alles zusammenfassen, was ich gerne sagen möchte.)
Jedenfalls ist es in meinem Wertesystem so vorgesehen und mir von meinen Eltern so mitgegeben wurden, dass man sich – auf neuhochdeutsch ausgedrückt - „um seinen Scheiß kümmert“. Also, dass ich mich um meine Sachen bitte schön auch kümmere.
Meines Erachtens fängt das schon damit an, dass ich nicht meine Klamotten oder Schulsachen überall hinschmeiße oder liegen lassen, sondern schaue, dass ich sie beisammen halte, intakt halte und sie bestmöglich auch nicht verliere.
Nicht immer nur haben wollen, sondern sich später auch drum kümmern.
Gleiches gilt meines Erachtens auch für ein Zimmer!
Erfahrungen der Bonusmamas
Auf Instagram habe ich in eine Umfrage gestartet und wie ich feststellen konnte, hat das Thema hohe Brisanz, denn 98% der Befragten haben keine Putzfrau oder Putzmann. Also muss man in den Patchworkfamilien selber „anpacken“.
Bei der Frage, ob es schon mal Stress bezüglich des Kinderzimmers gab, gaben 53% der Befragten an, dass das schon mal der Fall gewesen sei.
Die Gründe für den Stress waren vielfältig:
- Aufräumen, Sauberkeit und Ordnung bzw. Unordnung
- Unordnung und vergammelte Sachen. Dinge, die dem Bonuskind nicht gehören, aber im Kinderzimmer liegen.
- Angemalte Räume
- Dass die Kids aufräumen sollen und keinen Bock haben
- Weil das Bonuskind das kleinste von den drei Kinderzimmern hat (es ist aber nur jedes 2. Wochenende da ist)
- Streitigkeiten über die Verteilung des Zimmers
- Geschirr (Teller & Tassen gehören in die Küche)
- Jedes Kind hat ein Zimmer, aber die Zimmer stehen unter der Woche leer
- Nichtbenutzung des Zimmers, wenn das Kind nicht da ist (heiliger Gral)
- Papa räumt gerne mal, obwohl das Bonuskind das selber tun soll
- Nur halbherziges Aufräumen, was für den, der putzen darf (Bonusmutter), nicht hilfreich ist
- Die Kinder haben ihre eigenen Zimmer, spielen und verwüsten aber das Wohnzimmer
„Das Bonuskind schmeißt alles aus den Regalen auf den Boden. Und wer darf es am Montag aufräumen?“ eine Bonusmutter (unbekannt)
Verteilung der Zimmer
Bei der Verteilung der Zimmer gab es bei uns glücklicherweise keine Diskussionen, da Tommi damals sehr pflegeleicht war und bei ihm auch heute die einzige Bedingung an einen Raum ist, dass dort Strom liegt(, um die Playstation aufzubauen). Größe, Anzahl der Fenster und Ausstattung sind ihm ziemlich egal.
Nichtnutzung der Zimmer
Das Thema Nichtnutzung der Zimmer während der Abwesenheit der Bonuskinder kann zu so mancher Diskussion führen, was auch Bonusmama Ramona berichten kann. Ihre Bonustochter kommt nur jedes zweite Wochenende und während Corona war es so, dass Ramona auf dem Wohnzimmertisch ihr Homeoffice aufbauen musste, während im Zimmer des Bonustöchterleins ein großer leerer Schreibtisch stand. Hier brauchte es einige Überzeugungskünste, um den Kindsvater davon zu überzeugen, dass die Bonusmutter den Raum der Bonustochter während ihrer Abwesenheit nutzen durfte. Immerhin versprach Ramona auch hoch und heilig, alle Arbeitsgegenstände vor Eintreffen des Töchterleins entfernt zu haben. Inwieweit es die Bonustochter selbst gestört hätte, dass Ramona den Raum nutzt, ist nicht überliefert.
Bei uns ist das auch kein Thema und ich nutze den Raum in Annikas Abwesenheit als (neu gewonnenen) Trocken- und Bügelraum.
Ordnung des Zimmers
Die meisten Antworten rankten sich aber um das Thema Ordnung bzw. besser gesagt „Unordnung“. Hier geht es um die Klamotten auf dem Boden, das verrottende Geschirr mit Essensresten auf den Schreibtisch und die Vornahme von Reinigungsmaßnahmen jeglicher Art.
Auf die Frage, ob die Kinder auch putzen müssten, antworteten (interessanterweise) 69% der Befragten, dass die Kids das nicht tun müssten. Bei der Konkretisierung der Frage, ob sie putzen müssten, wenn sie nur jedes 2. Wochenende da sind, antworteten sogar 74%, dass das nicht der Fall sei. 3 von 4 Bonuskids haben also den Luxus, dass Bonusmama oder der Papa für sie putzt (Putzfrauen/-männer hatten die Befragten ja nicht). Meine Bonuskinder befinden sich also in guter Gesellschaft.
Bei der Frage, was genau die Bonuskinder tun müssen, antworteten 74% der Befragten, dass die Kinder keinen Staub wischen müssten. Aber immerhin fast die Hälfte der Bonuskinder darf oder besser muss (dürfen tun sie ja sicherlich alle...) zum Staubsauger greifen (46%).
Bei der Frage, wer das Bett bezieht, tragen die Bonusmütter mit 62,5% die Hauptlast (gefolgt vom Partner mit ca. 14% und der Option, dass Vater und Bonusmutter sich die Arbeit teilen). Nur 10% der Bonuskinder beziehen ihr Bett selbst.
Beim Thema Fensterputzen sieht es natürlich ähnlich aus: Hier ist zu 72,72% die Bonusmutter zuständig, zu 15% der Bonusvater. Nur in 4% der Fälle greift das Bonuskind selber zum Leder.
Leider liegen keine vergleichbaren Zahlen dazu vor, in wieviel Prozent der Fälle die leiblichen Kinder putzen dürfen/ müssen. Eine Bonusmama schrieb auch, dass die Kinder es bei ihr besonders hart angetroffen hätten, da sie bei der Kindsmutter nichts machen müssten, aber bei der Bonusmama immer ihre Zimmer aufräumen müssten. Böse Stiefmutter!
Aber ich sehe es wie sie: ein wenig Alltag und Vorbereitung auf die künftigen Pflichten hat noch niemanden geschadet!
Ich bzw. wir haben es leider versäumt, einen Reinigungsturnus zu etablieren. Aktuell gebe ich meist auf, weil ich auf die Diskussionen über die Notwendigkeit des Sauberhaltens der eigenen Sachen schlichtweg keine Lust habe (und ich es auch nicht als meine Aufgabe ansehe, hier Erziehungsarbeit zu leisten). Stattdessen belohne ich mich nach getaner Putzarbeit des Kinderzimmers gerne mit einem Prosecco und feiere mich dafür ab, dass ich zumindest insoweit mein Leben auf der Kette habe!
Hin und wieder versuche ich zwar, herauszuarbeiten, wie komfortabel die Bonuskinder es bei uns haben, aber meist verpufft dies auch unbemerkt. So hatte ich letztens gelesen, dass Kinder ab de 12. Lebensjahr ihre Wäsche alleine machen könnten und z.B. das Bügeln ihrer Kleidung übernehmen sollten. Ich erzählte das Tommy, dass er jetzt mit 11 Jahren es noch genießen sollte, dass nicht tun zu müssen, woraufhin er mir direkt mitteilte, dass Annika das schließlich auch nicht müsste.
Annika guckte nur schräg, gab mir ein „als ob“ und ergänzte dann, dass sie dann halt einfach ihre Sachen nicht bügeln würde. Empfände sie eh als Quatsch. 1:0 für die Bonuskinder.
Was allerdings interessant war, war, dass anscheinend viele Bonusmamas und Stiefmütter einen Weg gefunden haben, mit dem Thema gechillt umzugehen. Denn 63% der Befragten atmen nur noch tief durch und regen sich nicht mehr über die Unordnung auf.
In diesem Sinne, chillst Du schon oder putzt Du noch?
Wie sieht es bei Dir beim Thema Kinderzimmer aus? Regst Du Dich noch auf oder bist Du schon tiefenentspannt? Hast Du vielleicht Tipps und Tricks?
Ich bin gespannt auf Deine Erlebnisse, Erkenntnisse und Anekdoten und freue mich über Deine Kommentare, Emails oder Anrufe.
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