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AutorenbildBonusmutter Jule

Über unqualifizierte Kommentare

Aktualisiert: 18. März 2022



Heute geht es um unqualifizierte Kommentare – und ja, mir ist durchaus bewusst, dass ich hier eine Bewertung der Kommentare vornehme. Aber ich brauchte eine Überschrift, die schmissig ist und womit jeder etwas anfangen kann.


Denn bestimmt auch Du hast bei dieser Überschrift schon die ein oder andere Idee, worum es heute hier im Blog geht. Oder Du hast direkt einen Satz im Kopf, den Du unter diese Überschrift subsumieren könntest. Oder Du hast gar mehrere Sätze im Kopf – gesagt von verschiedenen Menschen in Deiner Umgebung: deine engsten Verwandten, Freunde, die Nachbarn, der Arbeitgeber, andere Stiefmütter oder gar die Ex des Partners.


Die Bedeutung des Adjektivs „unqualifiziert“ wird lt. Duden wie folgt definiert:

unqualifiziert = 1. a) keine (besondere) Qualifikation besitzend b) nicht qualifiziert 2. abwertend von einem Mangel an Sachkenntnis, an Urteilsvermögen und (geistigem) Niveau zeugend

Im folgenden soll es um die Kommentare gehen, die abwertend im Sinne der Nr. 2 sind.


Wie bin ich auf das Thema gekommen?

Erst einmal habe ich diese Woche mit der lieben Jennifer telefoniert, die auch einen schönen Kommentar von ihrer Mutter erhalten hat, als es darum ging, dass Jennifer mit ihrem Partner zusammen ziehen will. Jennifers Mama meinte nämlich:

„Halte die Augen offen und zieh lieber nicht mit ihm zusammen. Es kann doch immer noch ein besserer Mann kommen.“

Bei dem Satz musste ich schon schlucken, weil ich erahnen konnte, wie Jennifer sich damit fühlen musste. Sie selber ist voller Vorfreude (neben natürlich auch anderen Gefühlen) auf das Zusammenziehen mit ihrem Partner, und dann kommt so eine Aussage. Sicherlich sind unsere engsten Verwandten oder engsten Freunde auch dazu da, uns die Wahrheit zu sagen und uns -sofern möglich – vor Fehlern zu bewahren. Aber trotzdem wünscht man sich in solch einem Moment ein bisschen weniger Ehrlichkeit und dafür etwas mehr Support.


Bonusmama Lea schrieb mir auf die Frage, welche unqualifizierten Kommentare sie schon gehört hatte, einen Satz ihrer Mutter (Mütter sind anscheinend ganz groß darin ;-)), den sie vor zwei Jahren an Weihnachten, nachdem sie den neuen Partner ihrer Tochter kennengelernt hatte, gesagt hat:

"Es war ja nett, ihn kennen zu lernen, aber ich habe die ganze Zeit nur gedacht, er sollte an Weihnachten besser bei seinen Kindern und seiner Frau sein."

Auch hier denkt man als Bonusmutter erstmal: „Besten Dank auch für die Aussage.“

Lea hat den Spruch inzwischen gut verarbeitet und erkannt, dass es bei der Aussage ihrer Mutter mehr um ihre eigenen Gefühle ging als um Lea und ihren Partner. Hintergrund ist der, dass Leas Mama selbst einmal eine “wütende Kindsmutter“ war, wie Lea sie beschrieb, nachdem der Vater sie wegen einer anderen Frau verlassen hat. Durch die Wiederholung der Situation durch ihre Tochter (wenn auch in einer anderen Rolle) kam ihr sicherlich das ein oder andere Gefühl wieder hoch.


Ein Klassiker, den fast jede Bonusmutter schon mal gehört hat, kam dann von Nadine:

„Du wusstest doch, dass er Kinder hat.“

Besonders passend sind solche Sprüche, wenn man gerade viel für die Bonuskinder getan hat und sich ausnahmsweise mal ausheult.

Spannend ist die Frage, warum man sich eigentlich nicht beschweren darf, nur weil man die Konsequenzen seiner Entscheidung vorher wusste?

Witzigerweise sagt man so etwas ja irgendwie auch nicht zu leiblichen Müttern, oder?

„Du wusstest doch vorher, dass Kinder Arbeit machen.“


Nadine wusste auch zu erzählen, dass ihre Stiefmutter ihr schon mal den netten Hinweis gegeben hatte, nachdem um Geld diskutiert worden war:

„Tja, einen geschiedenen Mann muss man sich eben leisten können."

Wenn man es nüchtern betrachtet, hat sie damit in 90% der Fälle vermutlich recht. In dem Moment jedoch: irgendwie frech. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass viele Bonusmütter (und ganz besonders Nadine) viel von ihrem eigenen Geld in die Bonuskinder pumpen.


Juliane erzählte, dass ihr Lieblingskommentar von der Tante ihres Mannes stammt. Juliane und ihr Mann wohnten schon sechs Monate zusammen als die Tante Julianes Mann in der Stadt traf und zu ihm meinte:

„Aber jetzt könntest du doch langsam mal zurück zu Uschi gehen."

Auch hier ist wirklich spannend darüber nachzudenken, warum andere Menschen eigentlich immer besser wissen, was man tun sollte? Sie kennen keine Details, aber haben ihre Meinung, die sie unverblümt mitteilen. Natürlich hat jeder Mensch seine Meinung und wir haben Meinungsfreiheit in Deutschland, aber tut das Not, dass man dem anderen immer alles unverblümt vor den Kopf haut?


Zudem treffen hier ja unterschiedliche Wahrheiten aufeinander: die Tante hat eine Wahrheit in ihrem Kopf – nämlich, dass Julianes Mann besser bei Uschi aufgehoben ist. Julianes Mann hat eine ganz andere Wahrheit im Kopf: nämlich, dass er tausendmal besser bei Juliane aufgehoben ist.

Die Meinung der Tante fußt auf dem, was sie als Außenstehender mitbekommt, und wie wir alle wissen, ist das in den meisten Fällen ein Bruchteil von dem, was hinter der Fassade abläuft. Gerade in den Fällen, in denen eine Ehe zerbricht, wurden oft nicht alle Streitigkeiten in der Öffentlichkeit ausgetragen, so dass vielfach Menschen auch total überrascht sind, wenn sich ein Paar trennt.


Julianes Mann war total entsetzt über die Frage und antwortet nur, dass "das Thema mit Uschi durch sei". Tante und Onkel haben fortan nur noch das nötigste mit ihm gesprochen. Uschi wurde dann bei gemeinsamen Events betont freundlich behandelt und Juliane ignoriert. Juliane war in den Augen von Tante und Onkel die Böse, obwohl sie ja überhaupt nichts verbrochen hat (zum Thema „die Schuldige sein“ habe ich letzte Woche einen Artikel geschrieben).


Bonusmama Katharina berichtete wiederum, dass sie die besten Sprüche von der Ex bekommt:

„Du hast keine Kinder.“

Dies dient aus Sicht der Ex-Frau als Rechtfertigung, dass sie das Vorrecht hat, was sämtliche Absprachen mit ihrem Ex-Mann und damit Katharinas Mann anging.

Gleiche Ex-Frau nutzte auch gerne den Satz:

„Ihr seid zu zweit, ich bin alleine“

Dass sie die Trennung ebenso gewollt hatte und inzwischen auch einen neuen Partner hatte, wurde dabei galant ausgeblendet.


Auch wir kennen das Argument, dass wir – weil wir ja keine Kinder haben – anscheinend immer Zeit haben müssen, um uns jetzt und sofort um die Bonuskinder zu kümmern. Dass wir beide Vollzeit arbeiten gehen und dies ja 24/7 das Schlaraffenland für uns bedeutet, wird dabei unterstellt. Auf Uschis Gefühlsquetsche

„Du könntest Dich ja auch mal kümmern. Ich muss immer alles alleine machen.“

reagiert Marc inzwischen nicht mehr, sondern schlägt Uschi vor, doch einfach zu sagen, wenn sie Hilfe braucht. Zumal es bis dato kein einziges Mal gab, an dem wir uns nicht gekümmert hätten, wenn sie um Hilfe gebeten hat.


Bonusmama Jessica, die inzwischen zum 2. Mal im Patchwork lebt, wurde von ihrem Ex vor dem Bonuskind oft als „böse Stiefmutter“ bezeichnet. Dies tat der Ex gerne, wenn er selber zu faul war, sinnvolle Regeln durchzusetzen. Zum Beispiel sagte der Ex dann:

„Matthias, du musst jetzt Deine Hausaufgaben machen, weil Deine böse Stiefmutter das so möchte.“

Der Scherz ging letzten Endes zu seinen Lasten, denn Jessica ist nun glücklich mit einem anderen Papa liiert.


Bonusmama Ramona kennt „unqualifizierte Kommentare“ hauptsächlich von ihrer Uschi, die diese ihrer Tochter gegenüber äußert:

„Papa hat jetzt eine neue Familie.“ oder
„Das ist nicht Deine Schwester, wenn überhaupt nur Deine Halbschwester.“ oder
„Kommt jetzt bloß nicht auf die Idee, einen auf Familie zu machen.“

Hier ist natürlich das Perfide, dass die Kommentare nicht unmittelbar Richtung Bonusmutter gehen, sondern erst noch durch das Bonuskind durchgeschleust werden. Schlechte Gefühle beim Bonuskind sind also auch inklusive, denn das Bonuskind ist nach solchen Aussagen total zerrissen zwischen Liebe zur Mama und Zugehörigkeit zu Papas neuer Familie.

Ramona macht das fast noch wütender als die Beleidigung ihrer Person.


Was hilft nun bei all diesen Kommentaren?

Wie immer im Leben natürlich erstmal durchatmen.


Und dann zu schauen, wie viel „Wahrheit“ überhaupt in einer Aussage steckt.

Hat die Person vielleicht Recht mit dem, was sie sagt? Oder hätte sie vielleicht Recht, wenn sie den richtigen Sachverhalt kennen würde?


Falls dies nicht der Fall ist, hilft es manchmal nach der Absicht Ausschau zu halten, die jemand mit seiner Aussage hatte. Wie vielleicht in Jennifers Beispiel: Ihre Mutter hält es nicht für eine gute Idee, dass Jennifer mit ihrem Partner zusammenzieht. Sie denkt das, weil sie Jennifer gut kennt und auch nur das Beste für sie möchte. Aus ihrer Sicht ist dies der Partner jedoch nicht, also das Beste.

Manchmal hilft es zu erkennen, dass der andere es nicht böse gemeint hat. Man kann sich dann für den Hinweis bedanken, aber die Verantwortung direkt wieder zurückspielen: „Ich weiß Deine Sorge um mich zu schätzen, Mama, aber ich liebe XY und entscheide mich für ein Leben mit ihm. Es würde mich freuen, wenn Du das akzeptieren könntest.“


Falls keine gute Absicht hinter der Aussage lag, dann hilft es oft zu schauen, was die Aussage mit der Person, die die Aussage getätigt hat, selber zu tun hat. Gerade bei bösen Sprüchen der Ex steht öfter die eigene Unzufriedenheit mit der Situation dahinter und die Aussage hat eigentlich nichts – also überhaupt nichts - mit einem selber zu tun. Man ist halt nur gerade blöderweise der Punchball, der es abbekommt.

Gleiches gilt auch oft bei Aussagen der Bonuskinder, die zuweilen auch hart sein können.


Die liebe Kordi vom Stiefmuttermagazin hat noch einen anderen Rat auf Lager: Wenn Dich eine Aussage einer anderen Person beschäftigt und nicht losläst, stelle Dir die Frage:

„Würde ich diese Person in dieser Angelegenheit AKTIV um Rat fragen?“

Falls nein, dann gibt es auch keinen Grund das ungefragte Feedback anzunehmen.


Ich selber habe bei unqualifizierten, nicht konstruktiven Kommentaren den Spruch im Kopf:

„Try walking in my shoes.“

So lange die Person, die mir einen solchen Kommentar hinterlässt, nicht in einer meiner Situation vergleichbaren Situation ist oder war, hat sie sich perse kein Recht „erarbeitet“, mir einen unqualifizierten Kommentar da zu lassen.

Daher prallen auch gutgemeinte Ratschläge meiner Nicht-Bonusmutter-Freundinnen und -Freunde á la „Das würde ich mir nicht bieten lassen.“ oder „Dass Du das mit Dir machen lässt...“ oder oder oder… an mir ab.

Try walking in my shoes und dann können wir weiterreden.


Wie ist es bei Dir? Kennst Du auch solche „unqualifizierten Kommentare? Welche hast Du schon gehört? Wie gehst Du damit um?


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Hinweis: Der nächste Stiefmutterstammtisch findet am Donnerstag, den 03.02.2022, online statt. Wenn Du Lust hast, dabei zu sein, melde Dich einfach bei mir!

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2 commenti

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Marita Strubelt
Marita Strubelt
14 feb 2022

Super Sammlung! Ich nenne das ganze gern "Bullshit-Bingo für Stiefmütter". Teilweise sind solche Kommentare bestimmt nett oder fürsorglich gemeint, aber trotzdem verletzend. Ich frage mich ja schon: Warum sagen Menschen so etwas?

Ich hoffe, es liegt einfach daran, dass Nicht-Patchworker keine Vorstellung davon haben, wie es Stiefeltern geht. Ich wünsche mir mehr Akzeptanz von Patchworkfamilien in der Gesellschaft. Habe auch mal darüber gebloggt, wenn du magst, kann ich das gern verlinken.

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annalena.w
16 gen 2022

Manchmal -vor allem wenn der Kommentar von der Mutter oder indirekt von der erwachsenen Tochter oder ähnlich nahestehenden Personen kommt- lohnt es sich aber, genauer nachzuhaken wie etwas gemeint war.


Meine Oma habe ich immer Oma genannt, auch wenn sie genau genommen die Stiefoma war. Lieb gemeint erklärte ich ihr mit ca 5 Jahren, als sie mich gerade ins Bett brachte(wir waren gerade 1 Woche zu besuch bei ihr):“ Ich hab dich lieb, auch wenn du nicht meine richtige Oma bist!“

Daraufhin war meine Oma so verärgert, dass sie bis zum nächsten Mittag kein Wort mehr mit meiner Mutter gewechselt hat.

Irgendwann rutschte ihr dann raus „Dass du ihr das erzählen musst…!”. Als meine Mutter endlich herausgefunden hatte um was…

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