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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Unter uns Gebetschwestern - Hannah erzählt

Aktualisiert: 18. März 2022



Es ist wieder Zeit für „unter uns Gebetsschwestern“ - dem schonungslos ehrlichen Interview von Bonusmama zu Bonusmama. Heute erzählt Hannah im Interview von ihrem Bonusmamasein.


Hallo Hannah,

herzlich willkommen beim Interview „unter uns Gebetsschwestern“ auf bonusmutter.de.


Magst Du erstmal ein paar „hard facts“ über Dich erzählen?

Ich bin Hannah. Ich bin 27 und seit vier Jahren mit meinem Freund zusammen. Seit ungefähr zwei Jahren wohnen wir auch zusammen. Er hat eine achtjährige Tochter. Wir haben keine gemeinsamen eigenen Kinder. Die Tochter ist immer ungefähr alle zwei Wochen am Wochenende da… mal mehr, mal weniger. Das ist alles – nennen wir es – flexibel. Es gibt keine festen Absprachen. In den Ferien ist sie ungefähr hälftig da. Das ist dann auch eher alles spontan. Das macht dann mein Freund mit seiner Ex aus. Da habe ich auch kein Mitspracherecht.


Möchtet Ihr eigene Kinder haben?

Ja. Wir hätten eigentlich schon eigene Kinder haben können. Allerdings habe ich im September noch mal eine Ausbildung begonnen und ich wollte nicht Kinder und Ausbildung gleichzeitig. Deswegen haben wir das noch geschoben. Aber es ist noch fest in Planung von uns beiden aus.


Wie findest Du das Residenzmodell?

Gegen das Modell an sich habe ich nichts. Wir haben auch eine relativ große Entfernung (ca. 80 km). Da wäre das Wechselmodell ja auch gar nicht möglich.

Mich stört es, dass es keine feste Abfolge gibt, also keine Reihenfolge. Also das man z.B. sagt, sie ist immer an den ungeraden Wochenenden oder an den geraden hier. Es ist halt immer relativ unklar bis zur Mitte der Woche, ob sie kommt oder ob sie nicht kommt. Das finde ich halt immer ein bisschen schwierig. Ich hätte halt gerne eine feste Planung, damit man auch längerfristig im Voraus etwas planen kann. Andererseits hat es natürlich auch was Gutes, wenn es so spontan ist, weil man dann doch spontan frei hat. Aber es ist so ein für und wider. Mir wäre ein wenig mehr Kontinuität ganz recht.


Könntet Ihr denn dann auch „nein“ sagen oder müsst Ihr sie dann nehmen?

Wir müssen sie dann eigentlich schon nehmen. Wenn wir nicht wirklich einen guten Grund haben, um abzusagen, dann kommt sie auch. Wobei wir die Situation auch noch nicht oft hatten. Wir hatten das vor 2-3 Jahren mal an Sylvester, das wir da eigentlich nur zu zweit feiern wollten und es auch so abgemacht war, dass sie nicht kommt. Und dann hieß es, sie soll doch kommen und wir hatten eigentlich was anderes geplant. Wir haben es dann aber doch zugesagt, weil die Mutter angefangen hat, überall rumzufragen, wo sie die Kleine dann abladen kann, so dass wir dann einfach Sorge hatten, dass sie dann irgendwo landet. Da stellen wir dann lieber unsere Pläne zurück, als das Kind irgendwo bei fremden Leuten zu haben. Das ist ja auch immer noch mal eine besondere Situation. Sylvester ist halt noch mal ein besonderer Abend, auch für Kinder.


Was stört Dich insgesamt am meisten an Eurer Gesamtsituation?

Insgesamt einfach die Kindsmutter. Sie ist eine schwierige Persönlichkeit. Ich muss dazu sagen, dass sie psychisch krank ist. Es kommt halt oft ihr Krankheitsbild auch durch, aber es ist sehr anstrengend mit ihr. Ostern dieses Jahres hat sie den Kontakt zu mir abgebrochen, weil sie das nicht mehr aushalten konnte. Das ist halt schwierig, weil sie ihre ganzen Traumata und Schwierigkeiten auf das Kind überträgt. Es ist immer so ein Abwägen: geht es dem Kind noch gut bei der Mutter, schafft sie das noch? Muss man eingreifen, muss man nicht eingreifen? Weil es natürlich immer Phasen gibt, wo es der Mutter nicht gut geht. Da würde ich mir wünschen, dass es ein bisschen mehr Durchsetzungsvermögen von meinem Freund käme, weil er halt schon oft sagt, dass er das Kind da jetzt rausholt. Aber er macht es dann doch nicht, weil es dann wieder aufwärts geht. Es ist halt schwierig.


Das wäre dann für Dich auch okay, wenn sie dann bei Euch leben würde?

Ja. Es wäre natürlich schwierig – man müsste alles umstellen, aber die Eltern von meinem Freund wohnen hier einen Ort weiter, meine Eltern genauso. Die wären auch alle bereit, da mit einzuspringen. Wir haben zwei Rentner in der Familie, die auch Zeit haben. Das wäre alles machbar, aber es wäre natürlich eine große Umstellung.

Wenn es dem Kind zugutekommt… Man merkt dem Kind schon an, dass es sich viele Gedanken um die Mama macht. Es ist ja oft so, dass Kinder das auch übernehmen – von sich aus, wenn sie merken, die Mama schafft das nicht. Das merkt man ihr schon an, dass sie sich relativ viel Verantwortung aufbürdet.

Es ist halt immer dieses „Ist es jetzt zu viel oder ist es noch gesund?“ Muss man eingreifen, muss man nicht eingreifen?

So gibt es halt Hochphasen, wo alles super läuft und dann gibt es Tiefphasen, wo man echt am liebsten hinfahren würde und das Kind rausholen. Das finde ich einfach schwierig.


Ist das Jugendamt involviert?

Bisher ist es immer noch so, dass es ohne ging. Es war bisher immer so, dass die Kindsmutter die Kleine noch irgendwo hinbringen konnte, bevor es wirklich zu schlimm geworden wäre. Was ja dafür spricht, dass sie das gemanaged bekommt. Deswegen ist da auch kein Jugendamt drinne und mein Freund will das so gut, wie es geht, heraushalten, weil er die gute Beziehung zur Kindsmutter erhalten will. Er hat dann immer Angst, dass die Beziehung kaputt geht und das Kind leidet.


Das ist natürlich eine berechtigte Sorge, wenn dann eine solche zusätzliche Institution mit reinkommt.

Das wäre dann halt noch mal extrem. Wobei die Sorge, dass die Mutter dann sauer ist und das Kind zu Schaden kommt, ist halt auch so generell. Wenn ich dann sage „sag doch einfach nein und es geht nicht.“, macht er das dann nicht. Dann muss das Kind leiden und das will er nicht. Einerseits hat er recht, andererseits sehe ich halt nicht ein, dass die Kindsmutter immer so den Ton angeben kann. Wir haben ja auch noch ein Leben und auch noch Pläne. Wenn sie dann immer dazwischenfunkt, ist das dann nervig.


Ich kenn das und weiß genau, wovon Du sprichst.

Was ist denn die wildeste Geschichte, die Du als Bonusmutter erlebt hast?

Das war jetzt dieses Jahr, dass die Kindsmutter mich angeschrieben hat. Ihr geht es so schlecht mit der Situation zwischen uns beiden. Also zwischen ihr und mir. Sie hat wirklich das Gefühl, dass ich ihr das Kind wegnehme und die Mutterrolle einnehmen will. Das würde sie gerne klären. Da war ich auch bereit dazu. Einfach dem Kind zu liebe, dass da einfach Ruhe reinkommt. Sie hat dann so eine Art 12-Punkte-Plan aufgestellt mit Sachen, die ihr ganz wichtig waren. Da ging es zum einen darum, dass ich nicht so die Mutterrolle übernehmen soll. Dann ging’s darum, wer das Kind zum Umgang abholt und wer es zurückbringt, um Geschenke, um die Familie von meinem Freund, in der sie auch wieder Teil sein will. Ganz viele Sachen. Ganz viele wilde Sachen und letztendlich (wir haben über WhatsApp miteinander geschrieben) hat sie das dann nach einer Woche abgebrochen. Das könne sie nicht, dass sei ihr zu anstrengend. Sie will jetzt gar keinen Kontakt mehr zu mir. Danach, ca. zwei Wochen später, wollte sie den Umgang reduzieren auf so ein- bis zweimal im Monat höchstens. Ich glaube halt schon, dass das auch zusammenhängt, dass sie irgendwie sauer auf mich war. Da habe ich mir dann echt gedacht: „Wow, das ist jetzt nicht so ein erwachsenes Verhalten.“ Wenn sie ein Problem mit mir hat und jetzt versucht, das über das Kind auszutragen, das geht eigentlich nicht aus meiner Sicht. Das war dann das, worüber ich mich am meisten aufgeregt habe.

Und dass sie immer wieder versucht, auf heile Welt zu machen. Es ist dann immer so, dass mein Freund dahinfährt und sie dann zu dritt was unternehmen, so als „Familie“, die sie einfach nicht mehr sind. Da habe ich einfach das Gefühl, dass sie immer noch nicht damit abgeschlossen hat, dass sie einfach kein Paar mehr sind und diese Familie so nicht mehr existiert. Das ist Fakt. Und da ist natürlich auch von mir aus ein bisschen Eifersucht mit dabei.


Wie handelt da Dein Freund? Grenzt er sich ab und gibt ihr ein klares „nein“?

Mittlerweile schon. Er sagt, er kommt und macht was mit der Kleinen alleine. Das ist okay. Wenn jetzt irgendwie Umgang nicht stattfinden kann, z.B. war ich vor ein paar Monaten in Quarantäne, dann geht er halt einen Tag zu ihr und macht dann was mit ihr. Aber mit ihr alleine und ohne die Mutter. Das ist dann auch okay und damit kann ich leben.


Habt Ihr Euch dann jetzt ausgesprochen oder hängt Euer Streit noch in der Luft?

Das hängt jetzt immer noch in der Luft. Ich habe da jetzt momentan auch kein Interesse, auf sie zuzugehen. Ich denke, sie muss jetzt einfach mal die Erwachsene sein. Ich vermute, dass sie das Ganze abgebrochen hat, weil ich einfach schonungslos ehrlich war zu ihr. Das ist so ein typisches Verhalten von ihr: wenn jemand etwas sagt, was ihr nicht passt, dann bricht man den Kontakt ab und dann ist das so.


Was würdest Du sagen ist Deine größte Herausforderung als Bonusmama?

Da finde ich es am schwierigsten, dass ich mich nicht zu sehr auf das Kind einlasse. Das hatte ich am Anfange, diese typische Stiefmutterfalle. Man macht und tut alles für das Kind, aber man ist halt nicht die Mutter. Das merkt man natürlich am Verhalten des Kindes und da habe ich relativ lang gebraucht, um da nicht sauer zu sein oder um einfach zu sagen: ich bin nicht die Mutter und das werde ich nie sein. Und deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn ich mich mal zurücknehme und ich dann sage „nee, ich habe heute gerade keine Lust was mit Dir zu machen.“ Dass man sich halt nicht so stark emotional bindet, weil man doch irgendwo verletzt wird. Das ist schon schwierig.

Und dass ich halt diese negativen Gefühle der Kindsmutter gegenüber nicht auf das Kind übertrage. Gerade, wenn es Verhaltensweisen sind, die man von der Mutter kennt, so typische Sprüche, bei denen ich denke: „Boah, nee! Muss das sein?“ Das Kind kann ja nichts dafür und dass man das dann nicht überträgt, finde ich dann schon manchmal echt schwierig.


Ich denke auch, dass das die hohe Kunst ist, sich da entsprechend abzugrenzen.

Ja, mittlerweise habe ich das auch raus und habe mich da auch im Griff.


Wie hast Du das für Dich aufgearbeitet bekommen?

Ich habe ein Buch gelesen, wo das thematisiert wurde und habe dann mit meiner Schwester, die Psychotherapeutin ist, gesprochen. Die hat mich nicht therapiert, aber es war so ein Austausch. Ich habe dann gesagt, dass ich einen Weg finden werde, wie das für mich in Ordnung ist. Was ich auch mache, wenn es mir zu viel wird, dass ich da dann nicht sitze á la „Ich muss das jetzt hier aushalten, damit wir happy family sind.“, sondern dass ich sagen kann, dass ich jetzt weggehe und mein eigenes Ding mache. Halt, wenn es mir einfach zu viel wird mit dem Kind.


Das funktioniert dann auch bei Euch?

Ja, das funktioniert dann auch bei uns. Mein Freund ist da auch sehr bedacht drauf, dass ich mich rausnehme, wenn es zu viel wird und dass ich nichts mache, was ich nicht will. Auch wenn ich mal auf die Kleine alleine aufpasse, weil er irgendwie einen Termin hat oder irgendwas ist, dann wird das immer vorher abgesprochen und er hat dann immer noch einen Plan B, wenn es mir doch nicht gut geht oder sonst irgendwas ist. Vor ein paar Monaten ist zum Beispiel mein Opa gestorben und an dem Sonntag danach hätte ich auf die Kleine eigentlich aufpassen sollen, aber da war mir nicht danach. Da war das dann überhaupt kein Thema, dass sie zu den Eltern ging. Damit war das dann gegessen.

Da ist er echt super, wenn man so manch andere Geschichten liest, bin ich schon echt froh, dass er da so hinterher ist.


Das ist super wertvoll, wenn man einen Partner hat, der das versteht und man sich dann auch nicht rechtfertigen muss, wenn man sich nicht um das Kind kümmert.

So die ersten Male, wenn sie dann länger hier war, z.B. über die Ferien, und ich mich dann so richtig reingehängt habe, und dann aber gemerkt habe, dass mir das alles zu viel ist und man denkt: „Argh, ich will das Kind eigentlich gar nicht mehr sehen.“ Dann habe ich mich aber verantwortlich gefühlt. Das hat er dann aber auch echt gut aufgefangen. Er hat gesagt: „Wenn es zu viel wird, dann geh raus. Dann mach halt Dein eigenes Ding und sag mir nur kurz Bescheid.“

Zuerst habe ich gedacht: „Das kann ich doch nicht machen. Um Gottes Willen.“ Ich kann sie ja nicht allein lassen, aber das hat dann gut funktioniert und sich dann auch gut eingespielt.


Das ist dann immer lustig, was einem den Verstand dann erzählt: „Du kannst ja nicht einfach was für Dich machen.“

Genau! Du hast halt gefälligst da zu sein!


Was ist Dein größter Abfuck?

Beim Unterhalt finde ich es ungerecht – bei uns ist es ja nicht so – aber man liest es ja oft in der Facebook-Gruppe, dass die Kindsmütter das Geld mit beiden Händen ausgeben, aber nicht fürs Kind. Kontrollieren kann man das nicht. Das ist natürlich total ärgerlich und was ich total krass finde ist, dass ich als Stiefmutter, wenn das Kind bei einem lebt, so gut wie keine Rechte hat. Hauptsächlich natürlich Pflichten, aber Recht eher nicht. Man bekommt auch keine Kinderkranktage oder sonst irgendwas. Da finde ich halt, dass das geändert gehört.

Wenn das Kind hauptsächlich bei mir lebt, dann habe ich auch Sachen wie Arzttermine zu erledigen. Da geht es ja schon los. Für die Auskunft beim Arzt oder in der Schule brauche ich dann immer eine extra Erlaubnis. Ich glaube, man kann das kleine Sorgerecht beantragen. Genau weiß ich das auch nicht, aber auf jeden Fall musst Du erst einmal wieder was beantragen. Du musst die Zustimmung bekommen von beiden Elternteilen. Wenn die Mutter das dann nicht will, hast Du Dich zwar um das Kind zu kümmern, bekommst aber nie irgendwie Infos, weil Du nicht berechtigt bist. Das finde ich total schwierig. Aber das ist halt so das ganze System.


Was würde Dir helfen?

Ich für mich habe jetzt meinen Weg gefunden, wie ich klar komme mit der ganzen Geschichte. Deshalb fällt mir da so spontan nichts ein.


Gibt es etwas auf das Du bei Dir/ Euch als Patchworkfamilie besonders stolz bist?

Ich finde es zum Beispiel super, dass ich mir die ganzen Freiheiten erlauben kann und dass mein Freund ganz klar sagt: „Das ist meine Tochter und ich bin verantwortlich. Wenn Du nicht verantwortlich sein willst, dann bist Du das auch nicht.“


Wenn ich das halt manchmal lese, ist das nicht selbstverständlich, dass die Männer sagen: mein Kind, meine Verantwortung. Wenn Du nicht willst, dann willst Du nicht. Da bin ich schon stolz. Und auch, dass ich mit der Kleinen so gut klarkomme. Wir haben eine sehr harmonische Beziehung. Wir sind auch sehr ehrlich zueinander.


Sie hat das natürlich mitbekommen, dass ihre Mutter und ich uns gestritten haben. Sie hat dann auch danach gefragt und ich habe ihr das dann auch erklärt. Kindgerecht natürlich und dann auch gesagt, dass das a.ch nichts mit ihr zu tun hat. Ich mag sie immer noch und wir sind immer noch Freunde, aber die Mama und ich können halt gerade nicht miteinander. Das hat sie dann auch verstanden. Das ist gut, dass wir dann alle so ehrlich miteinander sind.

Sie hat dann auch gesagt „das ist wie bei meiner Freundin. Wir haben uns auch gestritten und dann haben wir lange nicht miteinander gesprochen und jetzt ist wieder gut.“

Die Kinder sehen das ja auch und erklären es sich dann mit ihrer eigenen Welt und Logik.

Es ist halt einfach wichtig, dass man das nicht negativ macht á la „Deine Mutter ist voll die blöde Kuh.“ Dass man es halt einfach neutral formuliert, damit das Kind kein schlechtes Gefühl bekommt und nicht in den Konflikt kommt.


Gibt es sonst noch etwas, was Du schon immer mal zum Thema Patchwork, Bonusmama. Stiefkinder, etc. sagen wolltest?

Wer das noch nie gelebt hat, kann da gar nicht viel zu sagen. Man hört ja immer diese typischen Sprüche: Du wusstest ja, dass er ein Kind hat. Du wusstest doch, worauf Du Dich eingelassen hast. Wie, Du machst da kein Frühstück? Du bist doch hier verantwortlich. Wer noch nie in dieser Rolle gelebt hat, der kann auch gar nicht viel dazu sagen, da er nicht weiß, wie sich das anfühlt. Klar wusste ich, dass er ein Kind hat, aber das weißt Du ja rational, aber emotional weißt Du ja überhaupt nicht, was das mit Dir macht. Das kann man ja vorher gar nicht wissen, d.h. erst wenn Du drinsteckst. Manchmal hört man ja so Sprüche und ich denke mir dann so: Du hast ja eh keine Ahnung. Du lebst nicht im Patchwork, also kannst Du das gar nicht beurteilen.


Wie war das bei Euch – wie schnell warst Du in der Bonusmamarolle drinne?

Das ging bei uns ganz langsam. Wir waren neun Monate zusammen als er der Kleinen erstmals von mir erzählt hat. Ich kannte sie zwar, aber ich war nur „irgendeine“ Freundin von Papa. Und erst nach neuen Monaten hat er ihr dann gesagt, dass ich nicht nur irgendeine Freundin bin. Das war dann auch völlig in Ordnung. Wir haben es echt langsam angehen lassen, weil wir anfangs auch noch eine Fernbeziehung geführt haben, weil er noch studiert hat. Wir haben uns dann immer an den Wochenenden gesehen und das ging dann Schritt für Schritt. Erst als er hier eingezogen ist, kam dann plötzlich so eine Welle.


Natürlich war das dann ganz anders. Sonst haben wir immer bei seinen Eltern geschlafen, weil ich hier auch noch in einer WG gewohnt habe. Die Eltern haben dann morgens die Kleine gehütet und Frühstück gemacht. Als sie und mein Freund dann hier geschlafen haben, war es dann plötzlich ganz anders. Da musste man morgens früh aufstehen und Frühstück machen. Der ganze Tagesablauf ist dann auch irgendwie anders. Das war dann kurz so eine Welle, wo ich dann in den Struggle geraten bin „ich mach irgendwie viel zu viel und es wird mir alles viel zu viel.“ Aber ich kann auch nicht aufhören.


Das war dann ein paar Monate so, dass ich dachte, jetzt wird’s aber heftig. Damals habe ich dann überlegt und habe mit meiner Schwester geredet. Dann habe ich meinen Weg gefunden, wie ich mit der Situation auch klarkomme.

Wenn man es so langsam angeht, ist es vielleicht gut, aber auch vielleicht nicht. Vermutlich gibt es auch kein Patentrezept.


Manchmal wird ja auch diese böse Frage gestellt: wenn man es vorher gewusst hätte…?

Ich würde es wieder tun. Das Positive überwiegt dann doch.

Bei mir ist es wirklich auf die Kindsmutter begrenzt. Das Kind selber ist wunderbar. Da gibt es überhaupt keine Probleme. Es gibt ja auch Kinder, die nicht so sind. Und dann ist es ja nochmal viel schwieriger, wenn man das Kind halt auch nicht mag. Und dass dann so anzunehmen – das geht eigentlich gar nicht.


Gibt es noch etwas, was Du schon immer mal sagen wolltest?

Ich sehe das gerade bei meinem Cousin. Der hat drei Kinder mit seiner Ex-Frau. Die Ex-Frau ist wirklich völlig durch – also psychisch. Ich finde es halt so schlimm, dass auch wieder Systemkritik, dass oft erst was passieren muss, bevor reagiert wird. Was meine Großcousinen so durchmachen mussten, das ist so schlimm.

Es muss halt immer erst etwas passieren, bevor eingegriffen werden konnte. Da müsste es irgendwie einen Weg geben, frühzeitig einzugreifen.

Ich habe das auch oft auf der Arbeit im Kindergarten gehört, wenn wir Kindeswohlgefährdungen oder Verdacht auf Kindeswohlgefährdung gemeldet haben. Dann wir ein Hausbesuch bei der Familie gemacht. Dann ist alles top und dann passiert auch nichts. Auch wenn man sieht, dass die Kinder völlig untergehen und verwahrlosen. Wenn halt nichts richtig Schlimmes passiert, dann passiert halt auch nichts. Dann war‘s das! Und das finde ich am System einfach fehlerhaft.


Woran liegt das aus Deiner Sicht?

Ich denke, das liegt auch an der Gesetzeslage. Klar, es gibt auch einen Schutz, dass man nicht willkürlich irgendwelche Kinder aus ihren Familien nimmt. Das hat ja schon auch seinen Sinn. Aber es ist zu sehr zugunsten des Elternteils oder der Familien, die sich einfach wirklich nicht um die Kinder kümmern. Auch gerade da, wo psychischer Missbrauch betrieben wird. Denn das ist nahezu nicht nachzuweisen. Manchmal gibt es ja eindeutige Tendenzen oder Beweise, dass die Kinder psychisch manipuliert oder fertig gemacht werden. Aber trotzdem passiert da nichts. Da ist die Gesetzeslage einfach zu schwammig. Man kann halt vieles sehr weit auslegen.

Bei den Jugendamtsmitarbeitern denke ich, dass die tun, was sie können. Es sind zu wenig, aber überall im sozialen Sektor sind es zu wenige. Ob man jetzt bei den Krankenhäusern oder Schulen oder sonstwo schaut.


Ich kenne mich damit nicht aus, aber kann natürlich nachvollziehen, dass es was anderes ist, wenn ein Kind blaue Flecken hat, als wenn ich psychischen Missbrauch beweisen will. Das ist sicherlich von der Beweisführung etwas ganz anderes. Im Zweifel ist dann sicherlich Aussage gegen Aussage…

Genau. Man bringt die Kinder dann zusätzlich in einen Konflikt rein. Sie sagen dann doch oft zugunsten der Eltern aus, weil es halt einfach die Eltern sind.

Das ist so schwierig und es ist so ein komplexes Thema.

Gerade im Kindergarten hast Du ein vorgegebenes Schema, das Du befolgen musst, wann Du das Jugendamt kontaktierst. Da läuft davor schon recht viel ab. Wenn es dann tatsächlich so weit ist und das Jugendamt wird kontaktiert, dann kommt oft das Ergebnis raus, dass das Jugendamt vor Ort war und zum Ergebnis kommt, dass alles schon passt.


Wir hatten einen Fall, dass ein vierjähriges Kind kein vernünftiges Wort rausbekommt. Es ist objektiv auf dem Stand eines einjährigen. Und da wird dann nichts gemacht, außer, dass das Kind einmal in der Woche eine Stunde Frühförderung hat. Das ist ja nicht gewinnbringend und das zieht sich ja dann so weiter. Die werden ja irgendwann groß und bekommen dann selber Kinder und geben das weiter, was sie gelernt haben.

Das ist schon sehr frustrierend und da muss an sich schon selber gut von abgrenzen.


Bonusmutter.de bedankt sich ganz herzlich bei der lieben Hannah für das tolle Interview. Wenn Du Kontakt zu Hannah aufnehmen wollt, melde Dich gerne bei mir und ich leite Deine Anfrage sehr gerne weiter.

Du möchtest selber gerne interviewt werden? Dann melde Dich auch einfach bei mir (bonusmutter@yahoo.com) und wir machen einen Termin aus.


Hinweis: Am 19.07.2021 findet der nächste Bonusmutterstammtisch in Bergisch-Gladbach statt. Wer Zeit und Lust hat, vorbeizukommen, ist herzlich willkommen!

Melde Dich einfach bei mir.




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