
Dr. Otto N. Bretzinger ist Autor des im Juli 2024 erschienenen Buches „Patchworkfamilie absichern“. Die Instagram Community hat Fragen an Dr. Bretzinger gestellt, welche er hier nun beantwortet:
1. Was verändert sich rechtlich bei einer Heirat? Haftet man dann für Bonuskinder? Was passiert, wenn ein Elternteil arbeitslos wird? Was ändert sich beim Erbe?
Haftung für Bonuskinder
Eltern müssen ihre Kinder beaufsichtigen und sie vor Schäden bewahren, die sie sich selbst oder anderen zufügen könnten. In welchem Umfang die Aufsichtspflicht besteht, hängt vom Alter, der Entwicklung und den individuellen Eigenschaften des Kindes ab. Wenn ein minderjähriges Kind einen Schaden verursacht, wird geprüft, ob die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind. Ist das nicht der Fall, können die Eltern für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.
Auch ein Stiefelternteil kann gegenüber einem minderjährigen Kind, das im gemeinsamen Haushalt mit dem leiblichen Elternteil wohnt, eine Aufsichtspflicht haben. Regelmäßig ist nämlich davon auszugehen, dass auch die Stiefmutter oder der Stiefvater befugt ist, dem Kind Weisungen zu erteilen und durchzusetzen. Das muss auch nicht ausdrücklich mit dem anderen Elternteil vereinbart sein. Verletzt der Stiefelternteil seine Aufsichtspflicht, haftet er unter Umständen für Schäden, die vom minderjährigen Kind verursacht worden sind. Im Einzelfall kann das allerdings anders sein, insbesondere wenn geregelt ist, dass nur der leibliche Elternteil endgültige Entscheidungen treffen und Ge- und Verbote aussprechen darf. Dann haftet der Stiefelternteil nicht.
Arbeitsloser Ehegatte
Die Eheschließung begründet eine gegenseitige Unterhaltspflicht der Eheleute. Es besteht Anspruch auf den sogenannten Familienunterhalt, dessen Höhe abhängig von den Lebensumständen der Familie ist. Als Unterhaltsleistungen zählen auch die Kinderbetreuung und Haushaltsführung; diese sind gleichwertig mit der Erwerbstätigkeit des anderen Ehepartners.
Der arbeitslose Elternteil hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er arbeitslos ist. Es besteht Anspruch auf den erhöhten Leistungssatz (67 statt 60 Prozent des Leistungsentgelts), und zwar unabhängig davon, ob ein Kind der arbeitslosen Person oder des Ehegatten vorhanden ist.
Änderung der Erbfolge
Mit der Heirat ändert sich in einer Patchworkfamilie die gesetzliche Erbfolge. Waren vor der Heirat nur die Kinder des Erblassers gesetzliche Erben, erbt jetzt neben den Kindern des Erblassers auch noch der länger lebende Elternteil, und zwar – wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt – die Hälfte des Nachlasses (die Stiefkinder gehören nicht zu den Verwandten des Erblassers und mithin auch nicht zu dessen gesetzlichen Erben). Wenn diese Erbfolge nicht gewünscht ist, muss die vom Gesetz abweichende Erbfolge durch ein Testament geregelt werden. Darin können beispielsweise nur die leiblichen Kinder als Erben eingesetzt werden. Unabhängig davon steht jedoch dem enterbten Ehegatten der Pflichtteil zu.
2. Wie sieht es mit dem Unterhalt für das Bonuskind aus, wenn weitere Kinder dazukommen?
Beim Kindesunterhalt gilt ein wichtiger Grundsatz: alle Kinder eines Elternteils sind untereinander gleichberechtigt, egal aus welcher Beziehung die Kinder stammen. Die Kinder aus der ersten Beziehung sind den Kindern aus der zweiten Beziehung rechtlich gleichgestellt. Die “alten” Kinder dürfen darum gegenüber den “neuen” Kindern nicht benachteiligt werden. Allerdings kann die Geburt eines weiteren Kindes zur Folge haben, dass der sich der Unterhalt für die „alten“ Kinder verringert.
§ Die Düsseldorfer Tabelle geht von dem Normalfall aus, dass jemand höchstens an zwei Personen Unterhalt zahlen muss. Also entweder ein Ex-Ehegatte plus ein Kind oder zwei Kinder. Nur in diesem Fall kann der Tabellenunterhalt direkt in der Einkommensstufe angelesen werden, die auch dem Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen entspricht. Sind aber mehr als zwei Unterhaltsberechtigte vorhanden, so ist der Unterhalt aus einer niedrigeren Einkommensgruppe zu entnehmen. Bei dieser Herabstufung kommt es nicht darauf an, aus welcher Beziehung die Kinder stammen. Die Geburt weiterer Kinder führt deshalb auch dann zu einer Herabstufung, wenn das neue Kind aus einer neuen Beziehung stammt.
Der Unterhalt kann sich auch durch einen sogenannten Mangelfall verringern. Jeder Unterhaltsschuldner darf einen gewissen Teil seines Einkommens für sich behalten. Dieser sogenannte Selbstbehalt kann dazu führen, dass nicht genug Geld für alle Unterhaltsberechtigten vorhanden ist. In diesem Fall werden die Unterhaltsansprüche aller Kinder – also auch der Kinder aus erster Ehe – anteilig gekürzt.
3. Braucht es einen Ehevertrag oder reicht ein gutes notarielles Testament aus, damit das Bonuskind bei meinem Ableben und dem vielleicht späteren Ableben meines Mannes mein Eigentum erben kann? (Haus gehört mir und wurde mit in die Ehe gebracht)
Wenn kein Testament vorhanden ist, gilt gesetzliche Erbfolge. In diesem Fall erben die leiblichen Kinder des Erblassers, nicht dagegen die Stiefkinder. Neben den Kindern erbt der länger lebende Ehegatte – wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt – die Hälfte des Nachlasses. Ist diese gesetzliche Erbfolge nicht gewollt, muss ein Testament errichtet werden. In diesem Fall sind von der gesetzlichen Erbfolge abweichende testamentarische Regelungen entsprechend den persönlichen Wünschen und Vorstellungen des Erblassers verschiedene Gestaltungen denkbar:
§ Wenn sich die Ehepartner darüber einig sind, dass nur die eigenen Kinder eines Patchworkpartners erben, die Ehepartner selbst sich gegenseitig aber nicht beerben sollen, muss jeder Partner seine eigenen Kinder als Erben einsetzen. Zu berücksichtigen ist dann aber, dass dem länger lebenden Partner der Pflichtteil zusteht. Deshalb sollten die Partner gegenseitig auf ihr Pflichtteilsrecht verzichten.
§ Wenn dagegen zunächst die finanzielle Absicherung des länger lebenden Ehepartners Priorität haben und erst danach das Vermögen auf die leiblichen Kinder übergehen soll, können der länger lebende Ehegatte als Vorerbe und die eigenen Kinder des verstorbenen Ehepartners als Nacherben eingesetzt werden. Die Vor- und Nacherbfolge kann unterschiedlich gestaltet werden. So kann etwa festgelegt werden, dass der länger lebende Ehepartner zwar die Miet- und Zinseinnahmen bekommt, die Substanz des Vermögens aber den leiblichen Kindern des verstorbenen Ehegatten erhalten bleiben muss. In jedem Fall aber müssten die Ehegatten einen Pflichtteilsverzicht regeln.
Die gesetzliche Erbfolge in Patchworkfamilien ist ungerecht. Diese Rechtslage durch entsprechende testamentarische Gestaltungen auszugleichen, ist recht kompliziert. Vor allem müssen bei den verschiedenen Gestaltungen jeweils auch die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten berücksichtigt werden. Hier kann ein Notar oder ein fachkundiger Anwalt helfen, die persönlichen Wünsche der Beteiligten in einem Testament wasserdicht umzusetzen.
4. Wie ist es mit dem Unterhalt, wenn ein gemeinsames Kind auf der Welt ist und der Kindsvater in Elternzeit geht?
Zunächst vorweg: Der unterhaltspflichtige Elternteil ist grundsätzlich verpflichtet, alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt einzusetzen und sich in zumutbarer Weise um ein Arbeitseinkommen zu bemühen. Es besteht eine sogenannte gesteigerte Erwerbsobliegenheit, das heißt, dass der unterhaltspflichtige Elternteil ein besonderes Engagement an den Tag legen muss, um finanziell der Verantwortung für das unterhaltsberechtigte Kind gerecht zu werden.
Im Regelfall ist es einer unterhaltspflichtigen Person erlaubt, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, um sich in dieser Zeit verantwortungsvoll der Betreuung seines Kindes zu widmen. Gibt es jedoch keine plausiblen Gründe für Elternzeit, kann dem Unterhaltspflichtigen möglicherweise missbräuchliches Verhalten unterstellt werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn es der Unterhaltspflichtige geradezu darauf anlegt, durch die Übernahme der Betreuung des zweiten Kindes die Unterhaltszahlungen für sein erstes Kind zu vereiteln. Dann muss er damit rechnen, dass ihm ein theoretisch erzielbares Einkommen zugerechnet wird, das er in seiner früheren Tätigkeit bereits erzielt hat. Aus diesem theoretisch erzielbaren Einkommen müsste der Unterhaltspflichtige dann den Kindesunterhalt bedienen.
Liegen vernünftige Gründe vor, kann der Unterhaltspflichtige zur Betreuung seines Kindes Elternzeit in Anspruch nehmen. Die Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eins Kindes aus zweiter Ehe kann dann dazu führen, dass sich der Unterhaltsanspruch eines Kindes aus erster Ehe verringert. In diesem Fall muss ein unterhaltsberechtigtes Kind finanzielle Einschränkungen hinnehmen, wenn die neue Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten gerechtfertigt ist und das zur Verfügung stehende Einkommen nicht ausreicht, um den Mindestunterhalt zahlen zu können. Die grundsätzliche Verpflichtung, notfalls durch zusätzliches Einkommen für den Mindestunterhalt sorgen zu können, entfällt während der Betreuungszeit für neu geborene Kinder.
5. Wie geht man mit höheren finanziellen Forderungen der Ex um? Sie liebt in einer Villa, hat Geld ohne Ende und will mehr Kindesunterhalt von uns. Wir zahlen schon viel…
Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind dadurch, dass er das Kind in seinem Hausstand betreut und pflegt. Der andere Elternteil, der das Kind nicht ständig betreut, ist gegenüber dem Kind barunterhaltspflichtig. Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils und dem Alter des Kindes. Näheres ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle. Das Kind hat einen eigenen Anspruch auf Barunterhalt gegenüber dem unterhaltsverpflichteten Elternteil und die Eltern sind dem Kind gegenüber verpflichtet, ihm Unterhalt zu gewähren. Mithin kommt es auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des betreuenden Elternteils in der Regel nicht an.
Auch ein höheres Einkommen des betreuenden Elternteils hat regelmäßig keine Auswirkungen auf die Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils. Von diesem Grundsatz machen die Gerichte allerdings zwischenzeitlich Ausnahmen, wenn ein Unterhaltspflichtiger deutlich weniger verdient und ein finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Partnern besteht. Im Ausnahmefall kann sich die Barunterhaltspflicht ganz oder teilweise auf den betreuenden Elternteil verlagern, wenn dieser so viel mehr verdient, dass die alleinige Inanspruchnahme des nicht betreuenden Elternteils zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht führen würde. Der Bundesgerichtshof hat ein solches Ungleichgewicht jedenfalls dann angenommen, wenn der betreuende Elternteil ein erheblich höheres Vermögen und ein mehr als dreifach höheres Nettoeinkommen als der nicht betreuende Elternteil erzielt. Der Bundesgerichtshof hat auch anerkannt, dass der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils, also der Betrag, der dem unterhaltspflichtigen Elternteil verbleiben muss, erhöht werden kann, wenn der betreuende Elternteil über ein um 50 % höheres Einkommen verfügt
6. Mein Partner (jetzt Ehemann) hat zwei Kinder in die Beziehung mitgebracht und ich eins. Der Bonussohn war damals 3 und wohnte fest bei meinem Partner (bis heute). Die Bonustochter war damals 7 als wir zusammengekommen sind und ist mit 9 Jahren fest zu uns gezogen (heute ist sie 19.5). Meine Tochter war damals 4.5 und ist heute fast 17. Nun habe ich Teilzeit gearbeitet, um mich um alle Kinder zu kümmern und mein Mann Vollzeit. Die Kind-krank -Tage haben wir immer 50/50 geteilt. Die leibliche Kindesmutter hatte die Kinder alle zwei Wochenenden zum Besuchsrecht und zwei Wochen am Stück in den Sommerferien. Nun ist die Frage: was müssen wir machen um die Kinder Betreuungszeiten für die Rente zu bekommen? Also entweder ich oder mein Ehemann. Wir haben schließlich die Kids großgezogen und beruflich zurückgesteckt. Können wir das auch jetzt noch nachträglich machen?
Ich würde es einfach unfair finden, wenn die Kindesmutter die Rentenpunkte für die Kids bekommt, obwohl mein Ehemann und ich uns immer Vollzeit gekümmert haben.
Wer ein Kind in dessen ersten 3 Lebensjahren erzieht, bekommt auf Antrag in der gesetzlichen Rentenversicherung Beitragszeiten angerechnet. Dadurch erhöht sich die Rente. Kinderziehungszeiten können neben leiblichen Eltern auch Stiefeltern in einer Patchworkfamilie erhalten. Die Kinderziehungszeit kann aber immer nur ein Elternteil zur selben Zeit in Anspruch nehmen. Der Elternteil, welcher das Kind in dem Monat überwiegend erzieht, bekommt die Zeit angerechnet. Erziehen die Eltern ihr Kind gemeinsam, hat grundsätzlich die Mutter Anspruch auf die Kindererziehungszeit. Soll sie der Vater erhalten, benötigt die Rentenversicherung eine gemeinsame, übereinstimmende Erklärung hierfür.
Kindererziehungszeiten werden im Versicherungskonto nur auf Antrag gespeichert. Dieser kann zum Beispiel im Rahmen einer Kontenklärung gestellt werden. Sind die Zeiten einmal im Versicherungskonto erfasst, werden sie automatisch bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Ist das nicht der Fall, gehen die Zeiten nicht verloren. Sie können auch erst mit dem Rentenantrag geltend zu machen.
Wer Kindererziehungszeiten angerechnet bekommt, soll auch die Möglichkeit haben, eine Rente zu erhalten. Dafür sind allerdings mindestens 60 Beitragsmonate erforderlich. Wer das allein mit Kindererziehungszeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht schafft, kann für die fehlenden Monate freiwillige Beiträge zahlen.
Wie hat Dir der Expertenrat gefallen? Hat er Fragen, die du möglicherweise hattest, beantworten können? Hast Du noch weitere Fragen?
Heute, am 20. Oktober 2024, findet eine Auslosung von drei Büchern auf Instagram statt. Nehme teil, wenn Du den Ratgeber gerne hättest.
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