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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Über das unterschiedliche Verhalten

Aktualisiert: 18. März 2022



Vor einigen Wochen erzählte mir meine befreunde Bonusmutter Astrid (Namen natürlich von der Redaktion geändert) von ihrem Frühstück mit ihrem Partner. Die Stimmung war perse grad nicht so gut und als sie etwas sagen wollte, machte ihr Partner nur ein (Achtung Interpretation!) böses „Psssscht“ und hielt den Zeigefinger vor den Mund, weil er die Verkehrsnachrichten hören wollte. Astrid war enttäuscht, beleidigt und sauer und sagte zu mir: „So würde er mit seiner Tochter nie umgehen!“


Ich dachte lange über dieses Thema nach. War es bei uns auch so? Behandelt Marc seine Tochter besser/ wertvoller/ liebevoller als mich?


Die Nummer 1

Marc und ich haben ein gemeinsames Verständnis darüber, dass der Partner jeweils die Nummer 1 ist. Für manche Menschen mag das irritierend sein und auch Marc fand dies, als ich ihn das vor langer Zeit gefragt habe, verwirrend. Es geht hier nicht um die Frage, ob man erst die Kinder oder die Partnerin aus dem brennenden Haus rettet, sondern darum welchem Menschen (oder Themen) man die höchste Priorität in seinem Leben einräumt. Euer innerer Kommentator wird jetzt vielleicht sagen: „Für meine Kinder würde ich töten - Sie sind das aller Wichtigste.“ Das mag inhaltlich stimmen.


Hier einmal ein anderer Gedanken: Wenn Du und Dein Partner Knatsch haben, habt Ihr dann eine erfüllte Familie?


Für eine erfüllte Familie ist Grundlage eine erfüllte Partnerschaft. Ein Eckpunkt für eine erfüllte Partnerschaft ist, dass der Partner die Nummer 1 ist. In dem Moment, wo beispielsweise die Arbeit die Nummer 1 ist, wird die Partnerschaft nicht mehr so erfüllt sein, wie wenn der Partner auf Nummer 1 ist. Dem einen oder beiden Partnern ist die Arbeit am wichtigsten und hierauf wird der Fokus gelegt. Was zu Hause passiert, wird nachrangiger. Und wie immer im Leben, wenn man sich nicht um Dinge kümmert, verkümmern sie. Ein Beispiel dazu: Gieße Deine Pflanze mal vier Wochen nicht...


Die Kinder auf Nummer 1

Gleiches gilt, wenn die Kinder auf Prioliste Nummer 1 gesetzt werden. Dann dreht sich alles nur noch um die Kinder und die Partnerschaft folgt an zweiter Stelle. Das mag einige Zeit gutgehen, aber es wird immer mehr und mehr zu Reibungen kommen, weil die Partnerschaft vernachlässigt wird. Dass das nicht funktioniert, zeigt ja die Scheidung bzw. die Trennung der Elternteile besonders eindrucksvoll.


Gerade in Patchworkfamilien ist das Bestreben, die Kinder auf Nummer 1 zu setzen, eine Falle, in die man gerne stolpert. Die Beziehung plätschert (nach der ersten großen Verliebtheit) so irgendwie vor sich hin und der Fokus ist auf dem Drama, das Uschi produziert und auf den Umgangswochenenden, wo es exklusiv um die Kinder geht. Natürlich verbindet auch das gemeinsame „Kämpfen“ gegen Uschi, aber es ist nur ein gemeinsames Arbeiten auf EIN Ziel hin. Das kann langfristig nicht für eine erfüllte Partnerschaft, die ja meistens mehrere Aspekte hat, funktionieren.


Wiederholtes Wählen

Wir wählen daher immer und immer wieder den Partner auf Nummer 1 zu setzen. Dies kann man gerne öfter machen, denn das Alltagsleben schickt einem immer wieder Ablenkungen in Form von Arbeit, Problemen, Uschis usw., die einen andere Punkte auf der Prioliste nach oben setzen lassen. Das zu bemerken und gegenzusteuern, ist die hohe Kunst.


Was heißt denn genau auf Nummer 1 setzen?

Ganz einfach: Dein Partner bekommt Deine volle Aufmerksamkeit. Du interessierst Dich für seine Themen, Du fragst nach seinen Sorgen und Themen, Ihr plant Eure gemeinsame Zeit miteinander (und mit den Kids) und sprecht ab, wie alle Bedürfnisse berücksichtigt werden können. Und er interessiert sich genauso für Deine Themen. Wie man die Sprache der Liebe des anderen spricht, könnt Ihr im Buch „Die fünf Sprachen der Lieben“ (zum Buchtipp geht es hier lang) herausfinden.


Wie hört sich das für Dich an? Abends gemeinsame Pläne schmieden versus ermüdet von der Arbeit und den Kids kaputt nebeneinander ins Bett zu plumpsen?

Die letzte Variante kommt auch bei uns hin und wieder vor. Es ist absolut okay, auch mal nach einem anstrengenden Tag zu denken „Puh, jetzt auch noch die Stories von Marcs Arbeit zu hören, bringt mein Gehirn zum Explodieren.“ Dann am besten einschlafen und den Morgen mit einem „Wie war Dein Tag gestern, Schatz, und was steht heute an?“ beginnen.


Aber zurück zu unserem Thema: Ich konnte also die Frage, ob Marc seine Tochter besser oder wertvoller als mich behandelt, für mich grundsätzlich verneinen.


Wie ist es bei leiblichen Kindern?

Ich fragte mich, ob sich leibliche Mütter auch die gleiche Frage stellen? Behandelt Papa das Töchterlein liebevoller als den Partner? Und ist es nicht vielleicht generell so, dass Partner untereinander „harscher“ sind, weil man erwartet, dass das Gegenüber „erwachsen“ ist und daher „härter rangenommen werden kann“?


So richtig fand ich kein „Pack-an“, um die Frage zu beantworten. Ich gab Astrid irgendwo Recht, aber empfand es natürlich auch nicht so schlimm wie sie, weil ich ja auch nicht in der Situation selbst gewesen war. Ich meinte auch noch zu ihr: „Das hat er bestimmt nicht so gemeint.“


Ich fragte bei ein paar befreundeten Bonusmüttern nach, ob sie schon jemals das Gefühl gehabt hätten, dass ihr Partner das Bonuskind besser/ wertvoller behandelte als sie selber?


Die hohe Kunst der Abgrenzung

Bonusmama Ramona schrieb mir, dass ihr Partner sie immer gut behandelt habe, aber ihre Bedürfnisse nicht gesehen habe bzw. die Bedürfnisse der Bonustochter immer vorrangig waren. Gerade als sie schwanger war, habe es viele Abgrenzungsthemen gegeben. Ihr Partner reagiere dann direkt im Gegenangriff und werfe ihr vor, dass das Bonuskind ausgegrenzt/ verstoßen wird und dränge sie damit direkt in eine Ecke, aus der ihr oft nur der Weg des Aufgebens der eigenen Bedürfnisse möglich gewesen ist. Nachdem sie dieses Muster erkannt hat, war es für sie deutlich einfacher, für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen. Denn, dass die Bedürfnisse der Bonusmutter berücksichtigt werden, heißt nicht automatisch, dass das Bonuskind hinten angestellt wird (was aber ja gerade von ihrem Partner häufig unzutreffenderweise unterstellt wurde und sie automatisch in einer Verteidigungshaltung brachte). Oft gibt es ja Kompromisse oder generell andere Lösungswege, die dazu führen, dass beide Wünsche erfüllt werden.


Die lieben Schuldgefühle

Bonusmama Melanie schrieb mir, dass sie auch das Gefühl der Besserbehandlung der Kinder gespürt habe, man es aber relativieren sollte. Oft sei das Verhalten des leiblichen Elternteils eine Mischung aus elterlicher Fürsorge für das Kind und das schlechte Gewissen, dass das Bonuskind nun ein Scheidungskind sei. Mit diesem Schuldrucksack belastet wolle man es dem Bonuskind leichter oder besser machen, um die Schuld wieder auszugleichen. Sie erzählte von ihrem pubertären Bonussohn, der faul und zeitgleich sehr fordernd sei. So kümmere sich der Bonussohn oft nicht um seine Schulsachen und fordere die Hilfe des Vaters abends um 20 Uhr ein. Dies führe dann dazu, dass Papa mit Sohnemann über den Mathehausaufgaben säße und die Bonusmama auf den gemeinsamen Abend verzichte. Sie schrieb, dass ihr Partner ein sehr lieber Mensch sei, was aber in Bezug auf den Bonussohn gerade das Problem sei. Ihr Partner setze zu wenig Grenzen und übe nur wenig oder wenn überhaupt sanfte Kritik, so dass man als Außenstehender das Gefühl hat, dass der Sohn dem Vater auf der Nase herumtanze.


Pünktlich an den Essenstisch!

Interessanterweise fiel mir nach diesem Beispiel ein Erlebnis aus der gleichen Woche bei uns ein:

Es war Mittwochabends und es sollte auf Wunsch der Kids Hamburger geben. Ich hatte die Zutaten in der Küche vorbereitet und die Männer (also der große Mann Marc und der kleine Mann Tommi) hatten die Frikadellen auf den Grill geschmissen. Da ich noch etwas Zeit hatte, ging ich vors Haus und kehrte die Blätter zusammen, die ein Sturm in den letzten Tagen vor die Haustür geweht hatte. Plötzlich kam Marc raus und meinte in etwas „harschem“ Ton (Achtung, Interpretation!) zu mir, was ich denn täte und dass „es jetzt gleich Essen gäbe.“ Ich verkniff mir die sehr offensichtliche Antwort auf die Frage, beendete meine Tätigkeit und kehrte zurück ins Haus, wo ich dann noch die Zutaten auf den Tisch stellte, während Annika sich mit ihrem Handy und Füße auf dem Stuhl gechillt an den Tisch pflanzte. Kurz bevor Tommi und Marc mit den Frikadellen reinkamen, beschloss Annika auf die Toilette zu gehen. Wir fingen zumindest mit dem Belegen der Burger an, was auch nicht gegen die sonst geltende Regel, dass erst das Essen angefangen wird, wenn alle am Tisch sind, verstieß. Tommi fragte dann nach einer Weile: „Wo ist Annika?“ Annika kehrte dann nach geschlagenen zehn Minuten ohne Entschuldigung an den Tisch zurück und wir begannen das Essen. Die Tatsache, dass sie unpünktlich zum Essen gekommen war, erfuhr keine weitere Beachtung.


Messen mit zweierlei Maß

Ich war missgelaunt – hatte mich doch Marc nach meiner Interpretation beim Blätterfegen „angemacht“, dass ich zum Essen kommen sollte, während Madame (so meine Interpretation) bewusst lange auf der Toilette verweilt war. Warum wurde hier mit zweierlei Maß gemessen?


Die oben behandelte Frage, ob ich die Nummer 1 bin, hat hiermit meines Erachtens nichts zu tun.


Natürlich ist die Frage, die man sich stellen muss, ob Kinder und Erwachsene perse gleich zu behandeln sind?

Ich denke, dass es natürlich Themen gibt, bei denen man von Kindern nicht das Gleiche erwarten kann, wie von Erwachsenen. Ich denke auch, dass je älter und reifer die Kinder sind, eine Anpassung vorzunehmen ist:


Kann ich von einer 4-Jährigen erwarten, dass sie es hinbekommt, vor dem Abendessen auf die Toilette zu gehen? Das könnte eventuell schwierig sein, da sie kein Zeitgefühl hat, keine Uhr lesen kann, nicht weiß, wann gegessen wird, usw.


Kann ich hingegen von einer 14-Jährigen erwarten, dass sie es hinbekommt eigenständig vor dem Abendessen auf die Toilette zu gehen und bei Essensbeginn pünktlich am Tisch zu sitzen?


Ich denke schon. Schließlich tragen die Kids ja 24/7 eine digitale Uhr in Form eines Handys mit sich herum, so dass sie jederzeit wissen, wie spät es ist. Das findige Kind mag nun argumentieren, dass man als Erwachsener ja gar nicht gesagt habe, wann es Essen gäbe. Diesen Argument sei entgegenzuhalten, dass die Kinder in dem Moment, wo sie merken, dass Essenvorbereitungsaktivitäten in der Küche starten, es ja auch hinbekommen, die Küche großräumig zu meiden, um nicht Gefahr zu laufen, zu kleineren Arbeiten herangezogen zu werden. Die Kinder wissen also in der Regel genau, wann gekocht wird und demzufolge auch, wann ungefähr mit einem fertigen Essen zu rechnen ist. Zumal man ja auch von den Erwachsenen zum Essen gerufen wird.


Zumal unsere 14-Jährige gerne vorträgt, Dinge noch nicht zu können, aber es ein Leichtes für sie ist, den Netflix-Code herauszufinden, um Serien für über 16-Jährige zu schauen. Es ist auch nicht schwer, den Termin für das Erscheinungsdatum einer neuen Staffel ihres Lieblings-Anime in Japan, Amerika, Europa und Deutschland sekundengenau mitzuteilen.


Grenzen austesten

Im aktuellen Fall ging es meines Erachtens aus Annikas Sicht mal wieder darum, Grenzen zu testen.


Es ging überhaupt nicht – auch wenn es sich für mich im ersten Moment so angefühlt hat – darum, ob Marc liebevoller zu mir oder zu Annika ist. Es ging ausschließlich darum, dass Annika ihre Grenzen testen wollte und dies erfolgreich getan hat.


Warum Marc sie nicht in die Schranken gewiesen hat? Ich kann es nicht sagen und höchstens über die Gründe spekulieren. Ist es funktional für sie, sie nicht in die Schranken zu weisen? Vermutlich nicht, aber darüber schreibe ich gerne noch einmal einen gesonderten Artikel (oder gleich ein Buch).


Erkenntnisse

Erkenntnis ist aber für mich, dass das Geschehene überhaupt nichts mit mir originär zu tun hatte.


Spannend ist auch die Erkenntnis, dass ich (vielleicht erkennt Ihr Euch auch wieder?) im Privaten gerne eine persönliche Komponente der Gefühligkeiten mit auf den Tisch werfe. Eigentlich war ja nichts passiert, aber ich fühlte mich nicht gut und fühlte eine „ungerechte Behandlung“ meiner Person.


Im wahren Leben sind viele Bonusmamas knallharte Businessfrauen, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, aber im privaten Bereich verknüpfen wir das, was passiert, mit Gefühlen und machen es uns dann selber schwer. Schwer in der dergestalt, dass wir uns selber schlecht fühlen (mein Fall) und uns schwer tun, für die eigenen Bedürfnisse zu kämpfen. Im Business wäre es überhaupt kein Problem, die Belange des Teams, der Abteilung usw. in der Verhandlung durchzusetzen. Manchmal muss man auch im privaten das „Bein steifhalten“ und ein Heartliner sein und für seine Bedürfnisse und Wünsche kämpfen.


Und wenn man dem Partner nur sagt „Du, das war gerade nicht sehr wertschätzend oder freundlich, wie Du mit mir kommuniziert hast“ und die befürchtete Ablehnung des Partners – wenn sie denn überhaupt kommt – aushalten.


Oder den Partner fragen, warum er das Bonuskind nicht in seine Schranken gewiesen hat?


Oder – noch verrückter – es selber übernehmen?


Das würde man ja im Business auch tun - ohne zu befürchten, dass der andere einen nicht mehr mag oder anschließend schlechte Stimmung ist. Schließlich geht es doch „nur“ um einen wertschätzenden Umgang miteinander.


Also in diesem Sinne: Gefühligkeiten raus und Abgrenzung rein!


Wie ist es bei Euch so? Kennt Ihr die oben beschriebenen Situationen? Habt Ihr manchmal auch solche schlechten Gefühle? Wie geht Ihr damit um? Bringt Ihr es aufs Trapez oder sortiert Ihr Eure Gefühle selber ein? Oder ist nach einem Marsch an der frischen Luft alles vergessen?


Ich bin gespannt auf Eure Erlebnisse, Erkenntnisse und Anekdoten und freue mich über Eure Kommentare, Emails oder Anrufe.


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