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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Über den Medienkonsum

Aktualisiert: 18. März 2022



Heute geht es einmal um ein Thema, mit dem sich unsere Eltern sicherlich nicht in dem Umfang „herumgeschlagen“ mussten, wie wir es heute tun dürfen: dem Medienkonsum der Kinder.

Wenn ich an meine Jugend denke, gab es zwar seit dem Beginn der 90er Jahre einen Gameboy für mich und meinen Bruder. Aufgrund der Tatsache, dass wir lediglich Tetris und Super Mario als Spiele besaßen, stellte sich die Frage, des „ewigen Zockens“ nicht. Spätestens, nachdem man alle Welten von Super Mario zweimal durchgespielt hatte, wurde auch diese Tätigkeit langweilig und man hörte nach 2 Stunden auf. Daher habe ich vermutlich auch heute noch eine relativ strikte Einstellung zu der angemessenen Dauer des Zockens bei Kindern.


Bei uns ist die Frage des angemessenen Medienkonsums immer wieder „aufgeploppt“ und wurde von Marc und mir umfassend diskutiert. Dabei prallten in zweierlei Hinsicht zwei Welten aufeinander: einerseits die Frage, wie lange Kinder zocken dürfen und andererseits die Frage, inwieweit man die Einhaltung der Regelung in die Selbstverantwortung der Kinder stellt.


Wie oben schon angedeutet, hatten Marc und ich natürlich absolut gegenläufige Ansichten über die Dauer. Mein Vorschlag einer angemessenen Handynutzung von zwei Stunden pro Tag führte dazu, dass Marc befürchtete, dass seine Kinder den digitalen Anschluss verlieren würden. Aus meiner Sicht an Schultagen eine ausreichende Zeit, um „Dödelzeit“ am Handy zu haben. (Meine ursprüngliche Forderung von nur einer Stunde ließ ich schnell fallen, da ich als totales Verhandlungsgenie direkt erkannte, dass dieser Forderung nicht im Entferntesten entsprochen werden würde).


Aus eigener Erfahrung (Regeln wollen gebrochen werden!) bevorzugte Marc den Ansatz, die Kinder nicht zu überwachen und ihre Handys zu sperren, wenn die Zeit (welche genau, war unklar?) überschritten war. Schließlich sollten sie lernen, selbst dafür Verantwortung zu tragen. Dem Argument konnte ich mich in gewisser Weise anschließen, gab jedoch zu bedenken, dass es gerade bei den an allen Ecken lockenden Angeboten im Internet für Kinder nahezu unmöglich sei, solch eine hohe Selbstdisziplin vorzuweisen – beobachtete ich mich selber ja immer mehr, wie ich teilweise sinnlos (und irgendwie fremdgesteuert) durch die Feeds von Insta, Fatzebuck und Konsorten scrollte anstatt mal ein Buch zur Hand zu nehmen o.ä..


Marc als Erziehungsberechtigter entschied, dass die Kinder die Einhaltung der Regelungen selbst beachten sollten. Die Diskussion war beendet.


Handynutzung in Coronazeiten

Die Kinder waren seit Beginn der verschärften Coronaregeln sieben Wochen im Homeschooling bei uns, was die Überwachung der Handyzeiten natürlich total vereinfachte. So konnte man insbesondere bei Annika, die eine Glastür als Zimmertür zu ihrem Kinderzimmer hat, wunderbar erkennen, ob sie nachts schlief oder unauffällig unter der Bettdecke mit dem Handy beschäftigt war. Und tagsüber konnte man die Kids mit anderen Aufgaben von 5-6 Stunden Zock-Nachmittagen abhalten.

Ab Anfang Februar sah sich Uschi wieder im Stande, ihre Kinder zu betreuen, da sie nun im Homeoffice arbeiten konnte. Inwieweit diese Entwicklung meiner Argumentation förderlich werden sollte, erzähle ich Euch gerne im Folgenden.


Schlaflose Nächte

Wie ich bereits in dem Artikel „Über das Zu-Bett-gehen und Energydrinks“ geschrieben hatte, hatte und hat Annika mit dem Phänomen zu kämpfen, nachts nicht schlafen zu können. Dies konnte man täglich auch gut daran erkennen, dass ihr WhatsApp-Status morgens regelmäßig anzeigte „zuletzt online um 2:30 Uhr / 1:37 Uhr / 0:53 Uhr“ usw. Dies wohlgemerkt an Schultagen! An Wochenenden kam man auch gut auf 4:20 Uhr oder 3:50 Uhr.


Ich beobachtete dies eine Woche und entschied mich erst einmal, nichts zu sagen. Das Thema war eh schon konfliktbeladen und wie bisherige Diskussionen gezeigt hatten, lief meine Argumentation über ausreichenden Schlaf, kein Geflimmer auf dem Handy vor dem Einschlafen und Verdummung der Jugend durch das Internet eh ins Leere. Wobei Annika aktuell alles tat (und tut), um letztes Argument selbst zu supporten. So sprachen wir beispielsweise eines Tages über Therapietiere wie Hunde, Pferde und Delfine, wozu sie ergänzte, dass das nicht sein könnte, denn „Delfine seien höchst gefährliche Tiere, da sie Kinder auffräßen.“ Dies hätte sie in einem TikTok-Video gesehen. Wir schüttelten den Kopf, belehrten sie eines Bessern und baten um kritische Auseinandersetzung mit der Quelle der Information.

Wenige Tage später hörten wir die wilde Geschichte von einem Mädchen, das sich selbst ein Ohrloch gestochen hatte, was sich dann aber entzündet hatte. Der Ersteller des TikTok-Videos übernahm die Verantwortung, über die Gefahren des Selberstechens zu informieren und zeigte eindrucksvoll, wie man aus der Entzündung (wohlgemerkt des Ohres!) heraus den Sehnerv ziehen konnte. Das arme Mädchen war nun blind und man sollte das Ohrlöcher-Selberstechen definitiv bleiben lassen. Annika war schockiert und schwor uns, sich niemals die Ohrlöcher selber stechen zu wollen. Auch hier baten wir um Überprüfung der Richtigkeit und versuchten die medizinischen Aussagen des Videos aufzuarbeiten.


Die Überwachung

Anyway – in Woche zwei konnte ich natürlich meine Babbel doch wieder nicht halten und wies Marc darauf hin, dass Annika in der Nacht von Sonntag auf Montag bis halb 2 wach gewesen sei. Marc überprüfte die Handynutzung von Annika und kontaktierte sie entsprechend. Weiterhin lösungsorientiert bat er sie um Überlegung, wie das Problem gelöst werden könnte. Ihr weniger konstruktives „kA“ (in Fachkreisen der Teenie-Eltern frei als „Keine Ahnung. Ist mir aber auch mehr als total egal.“ übersetzt) führte dazu, dass Marc ihr Handy ab 23 Uhr sperrte. Ebenfalls kritisch war, dass sie während der Homeschooling Zeit 45 von 60 Minuten auf TikTok verbrachte (also bereits nach einem Schulvormittag auf 4,5-5 Stunden Handynutzung kam).


Marc meinte, dass er dem Gleichheitsgedanken folgend auch Tommis Zeiten nun überprüfen müsste. Ich stimmte dem zu, war ich mir doch sicher, dass Tommi weder nachts am Handy hing, noch tagsüber während der Schulzeit. Schließlich hatte man während „unserer Homeschooling-Zeit“ jederzeit in sein Zimmer gehen können und er saß stets fleißig vor dem Rechner und füllte ausgedruckte Arbeitspapiere aus.


Oh Boy, weiter hätte ich nicht von der Realität entfernt sein können!


Denn Tommi nutzte seine Schulzeit noch erfolgreicher für seinen Social-Media-Konsum und kam auf nahezu 60 Minuten YouTube pro Zeitstunde. Ich konnte das alles wieder nicht verstehen... Die Frage, was Uschi eigentlich während ihres Homeoffices zu Hause so machte, thematisierte ich gar nicht erst, da es ja irgendwie offensichtlich war: zumindest nichts, was mit ihren Kindern zu tun hatte.


Die Beichte

Marc kontaktierte Dienstagmorgens auch Tommi mit Screenshots seiner YouTube-Zeiten. Tommi entschuldigte sich reumütig direkt und nutzte von dem Morgen an sein Handy 0 Minuten. Bei Annika war das SocialMedia-Verhalten während der Schulzeit unverändert. Marc setzte den Kids ein Ultimatum bis abends, ihrer Mutter freiwillig das Verhalten zu beichten und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Alternativ würde er es für sie übernehmen. Die Kids entschieden sich für die erste Variante.


Unerwartete Hilfe

Mittwoch ereilte uns (oder soll ich besser sagen mich?) unerwartete Hilfe. Tommis Lehrer teilte mit, dass Tommi nicht mehr im Unterricht mitarbeite und er fragte nach, woran es liegen könnte?

Ein Hoch auf die Lehrer! Die Frage hatten wir ja nun auch schon beantwortet.

Uschi führte ein Gespräch mit dem Lehrer, in dessen Nachgang sie mitteilte, dass das jetzt auch alles nicht so tragisch gewesen sei und viele Eltern solche Emails vom Lehrer erhalten hätte.


Die Tinte dieser schriftlichen Aussage war noch nicht trocken, da schrieb der Klassenlehrer erneut. Er hatte sich die Mühe gemacht und bei allen anderen Lehrern von Tommi nach dem Sachstand gefragt. Die Mitarbeit sei absolut schlecht, Tommi sei im Unterricht „nicht greifbar“, die Mathe-Hausaufgaben (Mathe! Tommis Lieblingsfach!!) fehlten aktuell drei Mal und waren auch trotz expliziter Aufforderung nicht vorgelegt worden. Gleiches gelte im Übrigen auch für Englisch, Deutsch, Sport und Religion.


Ergebnis

Die Handys sind nun vormittags für Social-Media-Aktionen gesperrt und nachts perse.


Dies hat jetzt tatsächlich dazu geführt, dass Annika, als sie vergangenen Samstag ihr Handykontingent aufgebraucht hatte, aus ihrem Kinderzimmer herauskam und aus reiner Langeweile mit uns redete.


Gut, ich gebe zu, dass es 20 Minuten darum ging, ob sie das Ipad haben könnte, weil sie noch ganz dringlich etwas darauf zeichnen müsste. Gespickt wurde dies mit der Aussage, dass sie zu Hause halt einfach immer tagsüber nun ihren Mac nehmen würde, um im Internet zu surfen und dann erst abends das Handy verwenden würde. Da würde das Kontingent dann doch noch ausreichen.


Es ist müßig darüber zu sprechen, ob es nicht eigentlich Erziehungsaufgabe der Mutter wäre, hier einmal ein Auge darauf zu haben? Aber fairerweise muss man sagen, dass dies vermutlich zu viel verlang wäre.


Uschi hat es sich jetzt beim Wechselunterricht der Kids (jeden 2. Tag Schule) so eingerichtet, dass sie an den Tagen, an denen die Kinder zur Schule gehen, frei hat und an den Tagen, an denen die Kinder zu Hause Aufgaben machen müssen, sie arbeiten muss. Aufgrund ihrer Arbeit kann sie dann natürlich kein Auge darauf haben, womit ihre Kinder sich die Zeit vertreiben.

[Anmerkung der Redaktion: der letzte Absatz ist aus einer boshaften, ironischen Gefühlslage der Verfasserin heraus entstanden und hat vermutlich nicht viel mit der Wahrheit zu tun. Ein gewisser Grad an Neid für so ein hohes Maß an Abgrenzung und Achten auf die eigenen Bedürfnisse schwingt aber mit.]


Angemessene Mediennutzung von Kindern

Meine Umfrage auf Instagram (@bonusmutter.de) hat ergeben, dass in 81,25% der Fälle, das Thema Medienkonsum in der Patchworkfamilie bereits thematisiert worden war. Bei den Familien, bei denen diskutiert wurde, sind sich die Paare in 64,71% einig, was die angemessene Mediennutzung sein sollte.

Die Frage, wer bezüglich der Mediennutzer strenger ist, wurde auch eindeutig beantwortet: In 81,46% der Fälle ist sie strenger als er.


An Geräten ist natürlich alles vorhanden: Fernseher, Tablet, Handy, Spielekonsole (Wii, Playstation, Xbox) und Computer.


Zu der Frage, wie viele Stunden die Kinder Medien konsumieren (sowohl wochenends als auch schultags) habe ich die für die 7-10 Jährigen Zeiten von 1-2 Stunden gemeldet bekommen. Leider waren keine Antworten zu Teens enthalten. Auch im Internet sind Antworten diesbezüglich eher rar.


Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) empfiehlt grundsätzlich Folgendes:

Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren: keine Bildschirmmedien nutzen Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren: höchstens 30 Minuten täglich Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren: höchstens 45 bis 60 Minuten täglich

Ab dem 11. Lebensjahr gibt es keine zeitlichen Empfehlungen mehr, aber es gibt zumindest die Information, dass im Jahr 2019 „Jugendliche in Deutschland […] im Durchschnitt täglich mehr als 200 Minuten online und rund 100 Minuten mit digitalen Spielen verbringen.“


Zu seinem gleichen Ergebnis kommt auch Statista mit 205 Minuten Internetnutzung im Durchschnitt pro Tag.Hier wird allerdings noch ein Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung gezogen: die deutsche Gesamtbevölkerung verbrachte 2018 durchschnittlichen täglich 196 Minuten im Internet (Jugendliche 214 in 2018). Von der heute genutzten Zeit im Internet entfallen rund 44 Minuten auf das Schreiben von E-Mails.


Das Jahr 2020 hat aufgrund seiner Besonderheiten natürlich auch Auswirkungen auf die tägliche Nutzungsdauer gehabt: Die tägliche Internetnutzungsdauer ist nach Einschätzung der Jugendlichen, von 205 Minuten im Jahr 2019 auf 258 Minuten in 2020 deutlich gestiegen.


Auch die durchschnittliche Nutzungsdauer von digitalen Spielen ist 2020 um 40 Minuten auf 121 Minuten gestiegen. Hier zeigen sich noch deutlicher als bisher Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Jungen spielen mit 159 Minuten fast doppelt so lange wie Mädchen (81 Minuten). Quelle: www.klicksafe.de


Als ich dies gehört habe, war mir auch schlagartig klar, warum alle (ganz besonders die Kinder) heutzutage so gestresst sind: 300 Minuten sind ganze fünf Stunden Medienkonsum pro Tag (!!). Im Durchschnitt. Das bedeute, dass wenn ein „Streber“ gar nicht auf Social Media abhängt, ein anderes Kind 10 Stunden am Tag dafür „leisten“ muss. Nicht zu vergessen ist ja auch, dass die Kinder natürlich auch noch fernsehen.

Gerade hab ich meine Zeitkiller (facebook, instagram) der Internetnutzung (mal wieder) deaktiviert – kontaktiert mich daher bitte vorerst per Email.


Wie ist es bei Euch? Gibt es Stress beim Thema Medienkonsum? Inwieweit gibt es unterschiedliche Regelungen bei Uschi und bei Euch? Welche Diskussionen habt Ihr bei dem Thema bereits geführt?

Ich bin gespannt auf Eure Erfahrungen und Erlebnisse und freue mich auf den Austausch mit Euch.


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