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  • AutorenbildBonusmutter Jule

Über die Mini-Wife

Aktualisiert: 18. März 2022



Heute schreibe ich einmal über ein Thema, das sich Bonusmama Nina* gewünscht hat: das Mini-Wife-Syndrom, das sie noch gar nicht kannte.


Eine spannende Umfrage auf Instagram (@bonusmutter.de) unter 21 (repräsentativen?) Nutzern ergab, dass 29% der Befragten, das Mini-Wife-Syndrom nicht kennen. Auch ich kannte das Mini-Wife-Syndrom nicht, bis ich im Sommer 2019 von Freunden angesprochen wurde, die die Beobachtung gemacht hatten, dass sich Annika beim Schlendern in der Stadt als Freundin von Marc brüstete. Auch mir war aufgefallen, dass Annika immer an Marc „klettete“ und ihm stets an der Hand hielt. Annika war inzwischen 12 einhalb Jahre alt und dank ihrer 1,70m und entsprechend kurzen Shorts auch nicht mehr zu übersehen. Genau an der kritischen Schwelle zwischen „nicht mehr Mädchen sein“, aber bei weitem noch keine Frau.

Fremde Dritte mit schlechten Augen hätten Annika auch gut als Marcs Partnerin ansehen können.


Was genau ist das Mini-Wife-Syndrom?

Als ich gerade ein Foto für diesen Blog-Artikel gesucht habe, wurde das Thema indirekt deutlich. Ich suchte ein Bild mit „Vater und Tochter“. Ich bekam jede Menge Ergebnisse, allerdings nur von Vätern mit kleinen Töchtern. Die Altersgrenze bei den Töchtern scheint für solche Fotos bei schätzungsweise 10 Jahren zu liegen. Fotos von Männern mit 13-jährigen Töchtern scheinen nicht en vogue oder gesellschaftlich irgendwie „komisch“ zu sein.


Versuch einer Definition

Als ich im Sommer 2019 versuchte, meine Gefühle zu definieren, stoß ich auf nachfolgende Definition, die ich im Stiefmutterblog fand:

„Es gibt Stiefmütter, die fühlen sich auf seltsame Weise ausgeschlossen, wenn ihr Mann und ihre Stieftochter zusammen sind. Oft schämen sie sich für ihre Gedanken, halten sich selbst für übersteigert oder hysterisch, weil sich ihnen das Gefühl aufdrängt, es hier eher mit einer „Geliebten“ als mit einem Kind zu tun zu haben. Sie haben es mit einer Mini-Wife an Papas Seite zu tun.“


Ziemlich genau das Gleiche hatte ich damals gedacht. Aber wie es sich für mich gehörte, suchte ich natürlich weiterhin in Google und fand interessanterweise einen Artikel eines Vaters, der aus der anderen Perspektive von dem „Problem“ seiner Partnerin schrieb. Er konnte nicht verstehen, warum es für die Partnerin ein Problem war, dass er mit seiner 15-jährigen Tochter Arm in Arm durch die Stadt lief - schließlich war es doch seine kleine Tochter. Die Reaktionen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Von „es gibt nichts schöneres als natürlicher Körperkontakt zur Tochter“ bis hin zu „Du Perversling“ war alles dabei. Hier vielleicht noch der Hinweis, dass es bei dem Mini-Wife-Syndrom nicht um einen sexuellen Kontakt geht.


Was ist normal?

Bei dem Thema gibt es vermutlich kein richtig oder falsch. Jeder hat in seinem Kopf eine eigene Vorstellung von dem, was für ihn „normal“ ist. Dies hängt natürlich davon ab, wie man selber groß geworden ist und wie viel persönliche Nähe man gerne zulässt.

Ich für meinen Teil weiß nur, dass ich es selber ab dem ca. 12. Lebensjahr ungemein peinlich fand, wenn man mich auch nur irgendwo mit meinen Eltern antraf. Unvorstellbar, dann auch noch Papas oder Mamas Hand zu halten!

Aber so ist jeder Mensch auch anders und mag die Nähe anderer Menschen mehr als der andere.


Nachdem ich also herausgefunden hatte, dass es sich das Verhalten von Annika um ein bekanntes Syndrom handelte, war das für mich ausreichend an Erkenntnis. Ich war froh zu wissen, dass ich es mir das Ganze nicht nur eingebildet hatte, beschloss aber, nicht „eifersüchtig“ zu sein, sondern dem Mädel die Nähe zu seinem Vater zu gönnen, die es sich wünschte. Ich ließ es mir aber nicht nehmen, hin und wieder doch deutlich zu machen, wer die Partnerin an Papas Seite war.


Ich fragte in den vergangenen Tagen bei ein paar Bonusmamas nach, ob sie schon Erfahrungen mit dem Mini-Wife-Syndrom gemacht hatten:

Blumen für die Tochter

Ramona* erzählte mir, ihre Stieftochter auch ein wenig eifersüchtig auf sie war, als Ramona mit ihrem Partner zusammengezogen ist. Ihr Partner hat Ramona fast jedes Wochenende Blumen mitgebracht, wenn er Brötchen einkaufen war (Kommentar der Reaktion: „Beifall für diesen Mann!“). Allerdings brachte er auch dem Stieftöchterlein Blumen mit, was – so die Vermutung – ein Vater bei seiner Tochter, wenn es kein Scheidungskind wäre, eher nicht machen würde. Möglicherweise wären es dann Sticker für das Stickeralbum oder die Bravo, aber vermutlich keine Blumen für eine 9-Jährige.


Heute essen wir...

Katrin* erzählte, dass ihr zu dem Thema nur einfalle, dass ihre Stieftochter (14) die unausgesprochene Entscheidungshoheit hat, was abends gekocht wird, wenn sie zu Besuch ist. Da habe sie allerdings nie etwas gegen gesagt, sondern eher zum Verwöhnprogramm beigetragen, auch wenn es sie nervt und sie es natürlich bei ihren eigenen Kindern anders handhabt.


Partnerlook?

Yasmin* schrieb mir, dass es bei ihr definitiv so war, dass die Stieftochter die Rolle der Mini-Wife eingenommen hatte. Bei ihrem Partner war es so, dass die leibliche Mutter keinen Kontakt zu den Kindern wünschte und beide Kinder rund um die Uhr beim Vater lebten. Yasmin lernte ihren Partner kennen, als er sich bereits ein Jahr lang allein um die Kinder gekümmert hatte. Die Stieftochter machte damals und noch heute auf Beschützerin des Papas. Wenn die Drei beispielsweise gemeinsam einkaufen gingen, drängelte sich die Stieftochter dazwischen und musste bei Papa im Mittelpunkt stehen. Auch wenn der Vater auf der Couch läge, versuche sie mit ihm zu kuscheln, was dem Vater jedoch nicht immer passe und er das weitestgehend zu unterbinden versuche. Lediglich in den Zeiten, in denen die Stieftochter selbst einen Freund hat, hatte sich das Thema erledigt.


Yasmin beschreibt weiter, dass ihre Stieftochter panische Angst hat, dass sie und der Vater sich trennen könnten, d.h. es geht hier im konkreten Fall nicht darum, die Partnerin des Vaters zu vertreiben, obwohl etwas Eifersucht wohl doch im Spiel ist. Schließlich könnte Papas neue Freundin der Stieftochter den Rang ablaufen. Yasmin vermutet, dass es eine Mischung aus Beschützerinstikt ist und dem Versuch, irgendetwas zu kompensieren und sich selbst Bestätigung zu holen. In ihrem Fall ist es sogar so, dass die Stieftochter gerne Yasmins Kleidung leiht und ihr Parfum nutzt, um ein wenig so zu sein wie Papas Partnerin. Das Ganze gipfelte dann in dem Vorschlag der Stieftochter doch im Partnerlook zu gehen. Yasmin lehnte dankend ab.


Die Sicht des Vaters

Bei uns ist es inzwischen so, dass sich Annika selbst beim Gang ins Dorf wie eine Klette an Marc hängt, dass dieser so genervt ist, dass er sie dann manchmal „abschüttelt“. Als ich Marc davon erzählte, dass ich einen Artikel über das „Mini-Wife-Syndrom“ schreibe, meinte er, nachdem ich ihm inhaltlich kurz skizziert hatte, worum es ging, dass Annika auch oft Frauen-Verhaltensweisen an den Tag legen würde. Er erzählte mir, dass Annika die Woche zuvor ihm einen Deal vorgeschlagen hatte, nach dem Motto „Wenn Du das und das für mich tust, dann würde ich mir überlegen, das und das für Dich zu tun.“ Marc hatte damals Annika erklärt, dass er kein 14-jähriger Junge sei, der auf ihr Wohlwollen und ihr möglicherweise gegebenes Entgegenkommen angewiesen sei, sondern ihr Vater und als solcher bestimmen würde, was sie zu tun habe (ich vermute, dass es um schulische Aspekte ging).


Das Verhalten des Vaters

Hier liegt dann vermutlich auch des Problems Lösung: das Verhalten des Vaters.

Denn das Mini-Wife-Syndrom funktioniert nur, wenn der Vater entsprechend mitspielt und es zulässt, dass die Tochter in die Partnerrolle schlüpft. Es ist nicht die Aufgabe eines 13-jährigen Mädchens, die Verantwortung für den Vater zu übernehmen und ihn zu beschützen. Zeitgleich sollte es auch nicht so sein, dass Vater und Tochter eine Beziehung auf Augenhöhe führen.


Der Elektrakomplex

Wenn man den Begriff „Vater-Tochter-Beziehung“ googelt, kommt man unweigerlich an dem Begriff „Elektrakomplex“ vorbei. Dieser wird von wikipedia.de wie folgt definiert:


Elektrakomplex ist der Begriff der analytischen Psychologie C. G. Jungs für die überstarke Bindung einer weiblichen Person an den Vater bei gleichzeitiger Feindseligkeit gegenüber der Mutter; er gilt laut Jung als das weibliche Gegenstück zum Ödipuskomplex.

In der Psychoanalytik ist die Theorie des Elektrakomplexes nicht ganz umstritten, jedoch findet sicherlich die ein oder andere Bonusmama ihre Stieftochter und den Papa in der nachfolgenden Umschreibung wieder:


Einmal Prinzessin, immer Königin
Schwierig wird der Elektrakomplex genau dann, wenn ein Vater seine Tochter ebenso vergöttert, wie sie es von ihm erwartet. Macht er sie zu seiner Prinzessin, gibt ihr all die Liebe, die sie sich wünscht und kauft ihr alles, was sie haben möchte, so erwartet die Tochter das auch im weiteren Verlauf von ihren Lebenspartnern.

Nicht nur, dass ein solches Verhalten Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Vater und Bonusmutter hat (das Thema „Nr. 1“ habe ich im letzten Blogartikel "Über das unterschiedliche Verhalten" behandelt). Die Beziehung zwischen Vater und Tochter hat auch massive Auswirkungen auf das künftige Beziehungsleben der Töchter, denn Töchterlein

möchte immer wie eine Göttin verehrt werden, alles andere kommt für sie nicht infrage. Beziehungen zerbrechen häufig an so einer Verhaltensweise, oder sie gestalten sich als äußerst schwierig. Allerdings hat die junge Frau auch nie gelernt, dass es auch einmal ein „Nein“ geben muss, und dass sich die ganze Welt eben nicht nur um ihre Person zu drehen hat.“

RP-Online (gut, ich gebe zu, nicht die wissenschaftlichste aller Quellen) schreibt dazu:


Problem: Zu wenig Autonomie in der Pubertät
Oftmals bricht mit der Pubertät und der damit verbundenen Konkurrenz mit der Mutter eine weitere Phase an, in der Väter eine Sonderrolle für ihre Töchter einnehmen. Der Vater präsentiert sich gerne stolz mit seiner Tochter, die wiederum erste Erfahrungen darin sammelt, mit keckem Augenaufschlag Männerherzen höher schlagen zu lassen. Zeitgleich erfahren Väter durch die ersten festen Freunde der Töchter Konkurrenz. In dieser Phase sei es wichtig, Töchter in ihrer Selbstständigkeit zu bestärken. Denn wer nie gelernt hat, wie man Dinge selbst entscheidet, neigt dazu, sich später auf seinen Partner zu verlassen. „Es sind die Behüteten, die zu Opfern werden“, sagt Jagow. Wer seiner Tochter das Gefühl von Stärke vermittele, lege einen guten Grundstein für deren eigenes gutes Gefühl, ihr Leben unter Kontrolle zu haben.


Als ich dies Marc erzählte, zitierte er Christoph Maria Herbst alias Erik Merz aus der grandiosen ZDF-Serie (auch auf Netflix zu finden) "Merz gegen Merz", der seine (Ex)frau Anne, gespielt von Annette Frier, wie folgt umschrieb:

"Bekommt diese Frau ein Einhorn, dann will sie ein Zweihorn."

Ironischerweise muss man sagen, dass auch Uschi genau diese Wesenszüge hat.


Wie geht man nun mit der Mini-Wife um?

Hier gibt es – wie immer – kein Patentrezept. Bei mir hat geholfen, Marc zu sagen, was mich gestört hat. Gerne darf man auch ergänzen, dass man lieber selbst Händchen haltend mit dem Partner durch die Stadt flanieren möchte – und dies auch, wenn die Kinder da sind.

Man kann natürlich auch versuchen, es direkt bei der Stieftochter anzusprechen, was ich mich aber ehrlich gesagt nicht getraut habe, weil ich ihr ihren Papa nicht wegnehmen wollte.

Ansonsten hilft es bestimmt auch, kluge Bücher zu lesen (siehe Buchtipps weiter untern) und dafür zu beten, dass Stieftöchterlein endlich einen Freund hat. Damit sollte sich das Problem sicherlich erledigt haben.


Wie ist es bei Euch so? Kennst Du die oben beschriebenen Situationen auch? Hast Du auch eine Mini-Wife zu Hause? Oder bestimmt Stieftöchterlein einfach nur so, wie alles zu laufen hat? Ich bin gespannt auf Eure Erlebnisse, Erkenntnisse und Anekdoten und freue mich über Eure Kommentare, Emails oder Anrufe. P. S. Abonniert auch gerne meinen Newsletter, in dem es weitere interessante Infos und Buchtips rund um das Thema "Bonusmutter" gibt. Tragt dazu einfach unten in das Abo-Formular Eure Email-Adresse ein und Ihr werdet fortan auch über neue Blog-Artikel informiert. Auch werden hier Termine für ein Treffen zum Austausch der Bonusmütter/ Stiefmütter bekannt gegeben.



Hier noch zwei Tipps über Bücher, die das Thema behandeln:


Du hast mir gar nicht zu sagen - Stiefmutter sein ist nichts für Feiglinge von Susanne Petermann:


Mini-Wife Syndrom - A stepmother's Guide von Katie Lee Douglas (allerdings auf Englisch)

(gibt es übrigens auch als Version für den Vater)


*Namen von der Redaktion geändert

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